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Botschaften aus Babel: Ina Pfitzner (ipf)

Übersetzer im O-Ton (Teil 1)

Sie sind die grauen Eminenzen hinter Bestsellern und Lieblingsbüchern. Tagtäglich versetzen sie sich in die Worte und Gedanken anderer. Doch was bewegt sie selbst? Eine nicht-repräsentative Umfrage.

Die Methode: Ich habe befreundeten Übersetzern einen Fragebogen geschickt. Geantwortet haben acht Frauen und neun Männer (doch kein klassischer Frauenberuf mehr?). Die meisten übersetzen aus dem Englischen ins Deutsche, zwei aus dem Französischen bzw. Spanischen, einige aus mehreren Sprachen. Sie sind vor allem Deutsche und ein Schweizer, vier aus den USA und ein Engländer, die wiederum ins Englische übersetzen. Ihre Antworten habe ich zusammengefasst und einige zitiere ich.

Warum übersetzen? Übersetzen macht Spaß und Übersetzer lieben die immer neue Herausforderung und die Arbeit an der Sprache; die Arbeitszeit lässt sich mit der Familie vereinbaren. Aber auch: „Die intensivste Art, sich mit Büchern auseinanderzusetzen, und jedes Mal lernt man unendlich viel hinzu.“
„Weil ich das Verfrachten von einer Sprache in die andere als reizvoll empfinde; weil jede das ganze Gewicht der Kultur, Geschichte, Mentalität des Landes enthält.“
„Da vieles, was ich lese, nicht in meiner Muttersprache erscheint, ist das Übersetzen eine Chance für mich, etwas daran zu ändern.“
„Ich komme aus der Wissenschaft, und schon als ich meine Dissertation über Norah Lange schrieb, dachte ich, ich würde sie lieber übersetzen und so einem deutschen Publikum zeigen.“
Andere sind eher ratlos: „Pourquoi pas?“ „Was sonst?“ „Heute weiß ich, ich wäre besser Ingenieur geworden.“ „Gute Frage. Die Leute sollen doch Fremdsprachen lernen.“

Aufträge kommen über Kontakte und Empfehlungen oder indem man ein Gutachten schreibt oder eigene Projekte anbietet. Viele müssen alles annehmen, andere entscheiden nach Thema und Honorar. Einer schreibt: „Ich bin Mitglied eines Übersetzerkollektivs, dessen Arbeit die Verlage schätzen. Aufträge kommen regelmäßig. Kriterien sind: Kann ich das, stimmt das Geld, ist das zeitlich machbar, will ich das.“ Ein anderer: „Nur Bücher, die mich interessieren. Aber fast alle interessieren mich, also nehme ich fast alle an.“

Ein normaler Arbeitstag: Übersetzer arbeiten viele Stunden, manche am Wochenende, spät abends und nachts, nur eine täglich von 7 bis 15 Uhr. Frühstück ist wichtig. Gearbeitet wird am liebsten zu Hause: „viel sitzen, viel Computer“, am Schreibtisch, im Bett oder auf dem Sofa, eine im Garten, ein anderer im Café Kotti, „unterbrochen immer wieder durch das reale Leben“. Außerdem: „Korrekturlesen in der Badewanne“ oder „mit dem Buch/Manuskript in der Hand auf einer Parkbank/an der Bushaltestelle/auf dem Balkon/im Bett.“
„Ich arbeite andauernd, aber ich tue so, als hätte ich ,places to go, people to see‘ – ich schleppe meine Arbeit mit in ein Café oder die Bibliothek.“
„Der Arbeitstag geht so nahtlos in meinen normalen Tag über, dass ich das nicht sagen kann. Wahrscheinlich ist das schlecht.“

Erstaunlich viele haben kein Problem mit der Abgabephase, einer ist dann schon fertig. Ansonsten helfen: Schokolade, Ohropax, immer wieder Kaffee, Selbstdisziplin, vorgekochtes Essen, Planung, Sport, schöne Musik zwischendurch, Spaziergänge.
„Ich habe Listen und hake alles schrittweise ab.“
„Internet, Internet, Internet. Auch meine Frau.“ 
„Guter Schlaf ist das Wichtigste.“
„Ehrlich gesagt kann die Anfangsphase, wo man noch gar keinen Durchblick hat, wesentlich schlimmer sein, oder mittendrin, wenn man denkt, man trifft den Ton nicht.“

Wenn die Belegexemplare kommen, werden sie bis auf eins verschenkt, an „treue, mich lesende Freunde“, Familie, interessante Kontakte.
„Auch mal ein Blick ins Buch, aber dabei fällt zu oft gleich irgendein dummer Fehler ins Auge.“
„Na ja, ich freue mich und melde es der VG Wort.“
„Jubel!“
„... dann habe ich das Buch meist schon vergessen.“

Eine Traumübersetzung haben nur wenige: Jeffrey Eugenides, Philip Roth, John Updike, ein dickes Buch mit kleinen Prosagedichten, Serge Brussolo: Mange-Monde, Samuel Beckett: Sämtliche Dramen, Astrid Rosenfeld: Elsa Ungeheuer, „Walter Kempowski – Die deutsche Chronik, Das Echolot. Jedenfalls etwas Monumentales!“

Lieblingsübersetzungen:

Lewis Trondheim: Das Land der drei Lächeln. Übersetzt von Barbara Hartmann. Reprodukt, 40 Seiten, 10 Euro

Charles Dickens: Große Erwartungen. Übersetzt von Melanie Walz. Hanser, 832 Seiten, 34,90 Euro

Sarah Bakewell: Wie soll ich leben? Oder: Das Leben Montaignes in einer Frage und zwanzig Antworten. Übersetzt von Rita Seuß. C.H. Beck, 416 Seiten, 24,95 Euro

Konstantinos Kavafis: Das Gesamtwerk. Übersetzt von Robert Elsie. S. Fischer, 384 Seiten, 14,95 Euro

Réjean Ducharme: Von Verschlungenen verschlungen. Übersetzt von Till Bardoux. Traversion, 320 Seiten, 19 Euro

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