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Rauchzeichen vs. Sexsymbol

Romane über die Liebe sind eine Herzensangelegenheit. Sie sind das klassische Feld der Unterhaltungsliteratur. Bei der Covergestaltung können alle im Verlag mitreden, denn die Liebe geht alle an. Häufig genug ist das Ergebnis der Gestaltung ein Kompromiss auf unterster Ebene. Ausnahmen erfreuen das Herz umso mehr.

Rätselhaft gelöst

„Fackelzüge“ schildert die Fernbeziehung eines jungen Paares zwischen Reykjavík und Berlin. Der Verlag bezeichnet dieses Buch seiner isländischen Autorin als „einen poetischen Trip“, eine Geschichte „zwischen Prosa und Gedicht“ und führt als Gattungsbezeichnung „ein Liebeslied“ im Titel mit.
Die Gestaltung ist so außergewöhnlich wie die vom Verlag angepriesene literarische Form. Das beginnt bei der schmalen Grotesk-Schrift für Titel, Gattungsbezeichnung und Autorinnenname und endet bei der Farbgebung. Beides ist für eine Erzählung über die Liebe fremdartig. Die reflexartige Auswahl der Farben Rot, Gelb und Orange für heißblütige Liebesgeschichten wird hier negiert: Weiß-kalt leuchtet der Titel vor einem schwarzen Hintergrund. Die eisblaue, kühle Farbe in Motiv und Verlagslogo lässt neugierig frösteln. Und das Motiv? Was sehen wir? Das Profil eines weiblichen Körpers, dessen Kopf von einem leicht schwebenden rauch-stoff-artigen Gebilde verhüllt wird, aus dem immer wieder eine geisterhafte Figur aufscheinen will.
Die Typografie ist in all ihren Teilen konstruktiv komponiert. Der Titel „Fackelzüge“ wird ohne Trennstrich versal in zwei Zeilen gesetzt, und die Worte „Ein Liebeslied“ passen sich in ihrer Schriftgröße an den Querstrich, an den oberen Arm des Versal-E an, schmiegen sich an ihn wie die stilisierte Flamme einer Fackel. Der lange Name der Autorin – häufig ein Grauen für die Gestaltung – bildet in seiner versalen Schreibweise eine Unterstreichung und gleichsam den Abschluss des Titels. In der reduzierten Wahl ihrer gestalterischen Mittel – Schrift und Farbe – entfaltet diese Covergestaltung das Rätselhafte par excellence. Die statische Typografie steht in bestem Kontrast zum schwebenden Motiv.
 
Sigurbjörg Thrastardóttir: Fackelzüge. Ein Liebeslied. Übersetzt von Kristof Magnusson. Blumenbar Verlag, 142 Seiten, 15,90 Euro

Gut getarnt

„Herzbeben“ ist der wer-weiß-wievielte Aufguss eines Romans, der erstmals 2003 bei Goldmann Taschenbuch unter dem Titel „Rendezvous auf dem Vulkan“ erschien. 2008 erlebte er unter „Rendezvous mit dem Vulkan“ bei Weltbild ein Revival und wurde 2010 bei Knaur als „Herzbeben“ noch einmal belebt. Damit nicht genug: Im August 2011 wurde er hier erneut mit eben der vorliegenden und vierten Covergestaltung wiedergeboren.
Welche Intention steckt hinter diesem Bäumchen-wechsel-dich-Spiel? Sollen Kunden auf diese Weise gar wissentlich in die Irre geführt werden? Die Vermutung liegt tatsächlich nahe, dass hier ein- und derselbe Titel nochmals verkauft werden soll. Gerne und mit Absicht auch an solche Kunden, die den Inhalt bereits kennen, die hinter dem Titel jedoch ein neues Buch ihrer Lieblingsautorin vermuten. Rechtlich ist ein solches Vorgehen natürlich abgesichert, moralisch gesehen allerdings könnte man arglistige Täuschung unterstellen oder vom Betrug am Leser sprechen.
Das spiegelt sich auch in der Gestaltung. Die Geschichte einer Vulkanologin auf Hawaii, die nach einer Trennung kurz vor dem Ausbruch ihres Lieblingsvulkans neuerlich ihr Herz verliert, wird illustriert mit einer Wiese, einem Korb voll roter (!) Äpfel und einem Aldusblatt. Welch Schwachsinn! Der Drucker und Verleger Aldus Manutius verwendete das herzförmige Blatt als schmückendes Ornament und als Absatzzeichen in seinen Büchern. Hier muss es nun als stilisierter Paradiesapfel herhalten, um mit der bekanntermaßen emotional anrührenden Farbe Rot, die den Einband dominiert, dem langweiligen Cover mit 08/15-Agenturbild und zentriert gesetzter Schrift einen Hauch von Erotik einzuverleiben. Diese Obsterntesituation will bewusst von den alten Buchtiteln ablenken und ein neues Buch der Autorin suggerieren. Die Fantasielosigkeit dieser Covergestaltung ist nicht zu überbieten und verrät auf den ersten Blick den Ramschcharakter der Ausgabe, der durch den Preis bestätigt wird.
 
Jill Smolinski: Herzbeben. Knaur, Taschenbuch Sonderausgabe, 496 Seiten, 6 Euro

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