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Überschätzte Bücher: Stefan Volk (smv)

Christopher Paolini: Eragon

Der Rummel um Christopher Paolinis „Eragon“ ist riesig. Er war es vom ersten Band an. Dabei lieferte „Das Vermächtnis der Drachenreiter“ doch nichts anderes als Fantasy-Dutzendware: die üblichen magischen Verdächtigen, jede Menge Pathos und reichlich Kitsch.

Millionen Leser können nicht irren, oder? Nein, keine Sorge, keinem soll hier die Freude am letzten Band von Christopher Paolinis Drachenreitersaga, der dieser Tage massenweise unter die Kassenscanner der Buchhandlungen gehalten wird, vermiest werden. Fantasy-Fans dürften auch an „Eragon“ ihren Spaß haben. Und wenn ein Teenager aus Montana sich eine so komplexe Welt wie jenes Alagaësia ausdenkt, in dem Eragon und seine blaugeschuppte, feuerspuckende Saphira beheimatet sind, hat das schon was Geniales. Schulnote „1“. Allerdings richtet sich „Eragon“ ja nicht an Lehrer, sondern an Leser, die vielleicht auch schon Tolkiens „Herr der Ringe“ und Rowlings „Harry Potter“ im Regal stehen haben. Verglichen mit derartigen Ausnahmewerken schneidet „Eragon“ freilich nicht mehr ganz so blendend ab.

Wer früher selbst schon einmal „Midgard“, „Dungeons & Dragons“ oder sonst eines dieser legendären Brett-Rollenspiele gespielt hat, kennt das ja: Man würfelt die Eigenschaften seines Charakters aus, sitzt hinterher zwischen einem Stapel von Fantasybüchern und überlegt sich eine Vorgeschichte für seine Figur. Da gibt es anmutige Elfen, mysteriöse Zauberer, kauzige Zwerge, tapfere Krieger. Die selbstgebastelte Vita, ruhmreich und schicksalsschwer, verrät man nur dem „Master“, dem Leiter des Spiels, der sich eine Rahmenhandlung ausdenkt und allerhand Drachen, Trolle, Orks oder sonstige Fabelwesen auf die Abenteurer loshetzt. So ähnlich könnte auch „Eragon“ entstanden sein.

Nur ein Regelwerk

Man kann es sich gut vorstellen: „Master“ Paolini zwischen all den Schmökern, Sagen und Legenden, aus denen er sich sein eigenes Fantasiereich zusammenklaubt. Denn genauso steif und schwerfällig liest sich „Das Vermächtnis der Drachenreiter“: Als liefere dieser erste Band im Grunde nur das Regelwerk für das Spiel, das in den nächsten Büchern dann so richtig losgehen soll. Da erklärt Brom, dieser müde, farblose Abklatsch des legendären Tolkien-Zauberers Gandalf, seinem Schützling weitschweifig die Spielregeln der Magie: „Bei einem Duell der Magier gibt es strenge Regeln, an die sich beide Seiten halten müssen, da sonst beide Kontrahenten sterben. Die wichtigste Regel ist, dass niemand magische Kräfte gebraucht, bis einer der beiden in den Geist des anderen eingedrungen ist.“ In diesem spröden Gebrauchsanleitungsstil erläutert Brom anschließend die genauen Details und Kniffe, ehe Eragon schließlich feststellt: „Das klingt sehr kompliziert.“ Womit er zweifellos recht hat, was aber halb so schlimm wäre, klänge es nicht auch so überaus konstruiert.

Die große Schwäche im Aufbau von Alagaësia nämlich ist, dass dieses Fantasy-Reich stets so wirkt, als wäre es am Reißbrett entworfen worden. Auch ein Übermaß an Pathos in den Biografien der elternlosen, geheimnisumwitterten Helden vermag das nicht zu kaschieren. Die sprachlichen Mittel seiner Schöpfung eine zauberische, ehrwürdige Aura zu verleihen, fehlen Paolini ohnehin. Mal sendet Eragon „seinen Geist tastend aus, bis er das Bewusstsein des Drachen spürte“, mal dringt er „in die entlegensten Winkel seines Bewusstseins vor“ und mal schöpft er „aus dem Brunnen ihrer vereinten Kräfte“. Auf diesem sprachlich trivialen Groschenromanniveau zieht Eragon am Ende des Romans auch in die erste große Schlacht, „schüttelte den Schmerz ab und spaltete einem Urgal den Schädel.“

Ein Monster passt immer

So kennt man die Helden aus Dutzenden anderer blutrünstiger Fantasybücher. Ein Monster, um das es nicht schade ist, kommt irgendwann immer um die Ecke. „Christopher Paolinis Erstling blitzt aus den Schwert- und Zauberei-Büchern hervor wie Eragons Schwert Zar’roc aus einem Berg gewöhnlicher Waffen“, urteilte „Die Zeit“ einst über „Eragon – Das Vermächtnis der Drachenreiter“. Wenn dem wirklich so war, muss es um das Genre damals furchtbar schlecht bestellt gewesen sein. Denn so spannend, unterhaltsam Paolinis Debüt ja sein mag, so bleibt es bei aller Magie, von der es erzählt, selber doch vor allem auch eins: ganz und gar gewöhnlich.

Christopher Paolini: Eragon. Das Vermächtnis der Drachenreiter. Übersetzt von Joannis Stefanidis. cbt, 736 Seiten, 9,95 Euro

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