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Überschätzte Bücher: Stefan Volk (smv)

Volker Klüpfel und Michael Kobr: Rauhnacht

Wollten die gefeierten „Kluftinger“-Väter Volker Klüpfel und Michael Kobr nur mal was anderes machen? Dann wäre ihnen das mit „Rauhnacht“ gelungen. Die selbstverliebte, überzogene Agatha-Christie-Hommage fällt nämlich völlig aus der sonst so charmanten Allgäu-Krimireihe.
 
Klufti ist Kult. Ganz offiziell. Nachzulesen hinten auf dem Hardcover. „Kult-Ermittler Kluftinger“ steht da. Natürlich könnte man jetzt sagen, dafür seien die beiden sympathischen Jungs von der „K“-Connection, der Klüpfel, Volker und der Kobr, Michael, ja wohl nicht verantwortlich, dass ihr Kommissar Kluftinger plötzlich als kultig gelte. Könnte man sagen. Wäre aber naiv. Die in Kempten geborenen Krimiautoren wussten schon, was sie da taten, als sie ihren vornamenslosen Kluftinger in Kuhfellpantoffeln steckten, ihn mit einer Vorliebe für Kässpatzen und einem fotografischen Gedächtnis ausstatteten und ihm eine für seinen Beruf ziemlich störende „Leichenunverträglichkeit“ verpassten.
 
Hinter dem Allgäuer Original, das zum Leidwesen seiner Kollegen auch öfter mal den Stinkerkäs’ im Dienstwagen vergisst, verbirgt sich ein klares Kalkül oder freundlicher formuliert: Konzept. Und das geht auf. Dieser Klufti ist eine echte Type mit Ecken und Kanten, ein eigenbrötlerischer, unbeholfener Kauz. Einer, in dessen Haut man nicht unbedingt stecken möchte, dem man aber gern über die Schultern schaut. Einer, über den man und mit dem man lachen, mitfühlen, mitkombinieren, mitleiden und sich mitschämen kann. Eine wunderbare Romanfigur! Dass er anständig gekleidet an einem Tatort erscheint, ist schon eher die Ausnahme. Als er in „Milchgeld“ sein Debüt gab, trug er anfangs noch die Tracht der Musikkapelle, bei der er Schlagzeug spielen muss, weil sonst keiner will. Im „Laienspiel“ kam er direkt von der Theaterbühne. In „Rauhnacht“ präsentiert er sich im Gewand von Hercule Poirot. Eine Rolle, die er den ganzen Roman über nicht mehr los wird. Leider.
Dabei ist das, was an „Rauhnacht“ so unangenehm aufstößt, gar nicht einmal, dass Kluftinger und Poirot krimiliterarisch dann doch noch eine andere Kragenweite haben, als vielmehr der Hang zur Selbstverliebtheit, der sich in die Agatha-Christie-Hommage eingeschlichen hat. Im fünften Teil der Bestsellerreihe befeuern Klüpfel und Kobr den Kult um Kluftinger nicht mehr, sie zelebrieren ihn. Ursprünglich waren die Klufti-Romane vor allem spannende, gut getimte Krimis, die mehr oder minder zufällig im Allgäu spielten. Neben dem Markigen, Urigen, Kultigen fanden die Autoren stets Platz für Zwischentöne, heitere, melancholische, anrührende Momente. Diese charmante, durchaus kunstvolle Balance, die den besonderen Reiz der Reihe ausmachte, geht in „Rauh-nacht“ völlig verloren.
 
Die Handlung à la Christie mit dem eingeschneiten Hotel und der (vermeintlichen) Leiche im von innen verschlossenen Raum gerät zum bloßen Vorwand für eine Revue plumper Gags und gewollt parodistischer Einlagen. Anders als in den ersten Bänden werden die Figuren mit dickem Pinsel überzeichnet. Doktor Langhammer, Kluftingers angeberischer Nachbar, stolpert bloß noch als peinliche Witzfigur durch die Kapitel, in denen es ständig noch dicker kommt. Bis zum schließlich ganz dicken Ende. Kluftinger hat alle Verdächtigen im Salon versammelt, um dort die Hotelbesitzerin Julia König zu überführen, als diese plötzlich eine Waffe zückt, sich im folgenden Gerangel ein Schuss löst und die König in der Magengegend trifft. Weil alle Straßen verschneit sind, verfrachten Kluftinger und Langhammer die Verletzte kurzerhand auf einen Schlitten und rodeln mit ihr Richtung Tal. Auf der „Höllenfahrt“ nach unten „jauchzte der Doktor und stieß einen Schrei aus, der wohl ein Jodler sein sollte“. Kurz danach rutscht er ab, klammert sich aber am Schlitten fest, der daraufhin ins Schlingern gerät, bis Kluftinger dem Langhammer mit der Taschenlampe auf die Finger haut, um ihn abzuschütteln. Als der Kommissar wohlbehalten das Tal erreicht, hat er endlich auch wieder Handyempfang. „Die Welt hatte ihn wieder“, heißt es ganz zum Schluss noch. Dem bliebe, nach dem verunglückten Ausflug des bodenständigen Altusrieder Kommissars in die abgehobenen Sphären pseudoliterarischer Spiegelfechtereien eigentlich nur noch hinzuzufügen: hoffentlich! 
 

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