Literaturhäuser stellen sich vor: Wiesbaden
Unbekannte Lebenswelten eröffnen
Literarische und gesellschaftliche Debatten und spartenübergreifende Projekte, die eine Brücke von der Literatur zu den anderen Künsten schlagen, prägen das Konzept des Literaturhauses Villa Clementine in Wiesbaden. Die Leiterin des Hauses, Susanne Lewalter, begreift Literatur als eine sinnliche Form des (Zwie-)Gesprächs, wie sie in BÜCHERmagazin 2/2016 erläutert.
An der Kulturmeile Wiesbadens – der Wilhelmstraße – befindet sich gegenüber des Kurparkes und wenige Schritte vom Hessischen Staatstheater entfernt die prachtvolle Villa Clementine. Der Mainzer Fabrikant Ernst Mayer hat das im historistischen Stil gestaltete Stadtpalais 1882 erbauen lassen. Es gehört zu den schönsten Villen der an denkmalgeschützten Gebäuden reichen hessischen Landeshauptstadt.
Im Jahr 2002 richtete die Stadt in den Räumen ein Literaturhaus ein; seit 2003 bietet dieses mit Susanne Lewalter als Leiterin ein vielfältiges Programm, unterstützt wird sie von einem kleinen Team. In den stilvollen Salons – gleich mehrere gibt es davon: das rote, das gelbe und das blaue sowie das Flämische Zimmer und der Wintergarten, in denen das Literaturhauscafé zu finden ist – sind preisgekrönte Autoren und Nachwuchskünstler gerne zu Gast. In der angenehmen Atmosphäre treffen sie auf ein diskutierfreudiges Stammpublikum und auf stets willkommene „Neuentdecker“.
„Das Literaturhaus reflektiert in seinem Programm aktuelle gesellschaftliche Themen ebenso wie Fragen der europäischen Kulturgeschichte“, erläutert Susanne Lewalter. „Dafür laden wir nicht nur renommierte Autoren ein – etwa Andreas Maier, Martin Mosebach, Judith Hermann oder Aris Fioretos –, sondern fördern auch Nachwuchstalente.“ So waren bereits Nora Bossong, Saskia Hennig von Lange oder Ulrike Almut Sandig im Literaturhaus zu Gast. Zum Konzept des Literaturhauses gehöre, in einem unüberblickbaren Büchermarkt mit thematischen Schwerpunkten dem Publikum eine gewisse Orientierung und neue Impulse zu geben. Außerdem gibt es zahlreiche, spartenübergreifende Kooperationen zwischen dem Literaturhaus und anderen kulturellen Institutionen. Nicht zu vergessen sind auch die verschiedenen Festivals, darunter als Highlight die intermedial ausgerichteten „Wiesbadener Literaturtage“, die alle zwei Jahre mit namhaften Literaturschaffenden als Gastgeber stattfinden. Im vergangenen Jahr war der bekannte Hörbuch- und Synchronsprecher Christian Brückner Kurator des Festivals und zu seinen Gästen zählte unter anderem Navid Kermani, der Träger des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels 2015.
Als eines der wenigen Literaturhäuser Deutschlands besitzt die Villa Clementine auch eine Stipendiatenwohnung. Im Herzen Wiesbadens finden nicht nur renommierte Krimi-Stipendiaten der Landeshauptstadt Inspiration, sondern auch internationale Gäste des Hessischen Literaturrats e.V., etwa der lettische Lyriker Antanas Jonynas oder der italienische Kinderbuchautor Luigi Dal Cin.
Auch in diesem Jahr werden spannende Autoren im Literaturhaus zu Gast sein. Unter anderem folgt der Träger des Deutschen Buchpreises 2015, der gebürtige Wiesbadener Frank Witzel, der Einladung des Literaturhauses. Außerdem nimmt Wolfgang Schorlau im März sein Krimistipendium auf. So bleibt das Literaturhaus auch im neuen Jahr durch seine konzeptuelle und programmatische Vielfalt seinem Motto treu, ein Besuch des Literaturhauses sei: „Mehr als nur ein Buch zu lesen“.
Susanne Lewalter (*1970) hat Literatur-, Geschichts- und Musikwissenschaften in Freiburg i.Br. studiert und viele Jahre als Journalistin und Feuilletonmitarbeiterin (u. a. für FAZ, Frankfurter Rundschau, SWR) gearbeitet. Seit 2003 ist sie Programmleiterin und Geschäftsführerin des Literaturhauses in Wiesbaden. 2006 hielt sie eine Vorlesung an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz über die Arbeit von Literaturhäusern. Sie ist (Mit-)Herausgeberin einiger Anthologien und Essaysammlungen wie „Trio mortale – Wiesbadener Krimigeschichten“.
Infos zu aktuellen Veranstaltungen gibt es hier: www.wiesbaden.de/literaturhaus
