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Portrait: Andreas Heineke (hein)

Literatur-Blog

Zeig mir dein Bücherregal und ich sag Dir, wer Du bist

„Herbert liest“ ist ein vielversprechender neuer Literaturblog. Der Clou: Herbert analysiert das heimische Bücherregal und erklärt den Menschen hinter der Sammlung.
Ein Selbstversuch von Andreas Heineke.


Als es an der Tür klingelt, muss ich mich verstecken, so ist es abgesprochen. Herbert darf mich nicht sehen, darf nichts über mich wissen. Er kommt mit der Redakteurin Sonja und dem Kameramann Phi­lipp. Philipp trägt ziemlich viel Licht in mein Wohnzimmer. So ist das, wenn das Fernsehen kommt. Herbert macht eigentlich Fernsehen, das Blog sieht aus wie eine gut gemachte TV-Sendung, zwischen „Druckfrisch“ und „Kulturjournal“ wäre es eine Bereicherung im Kulturfernsehen. Noch aber sendet Herbert ausschließlich im Internet. Er präsentiert sich im Blog wortgewandt, klug und vor allem belesen. Seine Buchtipps sind sorgsam ausgewählt, seine Kommentare mit liebevoll gemachten Bildern und passender Musik unterlegt. In dem Blog steckt viel Arbeit – ungewohnt viel für Bücherblogs im Netz.

Eine Stunde lang dreht das Team vor meinem Bücherregal, erst dann darf ich aus meinem Versteck. Ich bin gespannt, was Herbert über mich herausgefunden hat. Sonja stellt mir Fragen, nein sie stellt fest: „Du bist ein treuer Mensch“, sagt Herbert. „Du hast von einigen Autoren alle Bücher. T. C. Boyle, John Irving, Paul Auster oder Peter Mayle.“
Die Feststellung überrascht mich, so habe ich das noch nie gesehen. Eigentlich mag ich gar nicht jedes Buch von John Irving, die letzten überhaupt nicht. Treue lohnt sich also nicht immer, bei Paul Auster ist es etwas anderes, ich bin Fan, ich gestehe – und die Peter-Mayle-Bücher liebe ich, aber sie sind auch Recherchematerial. Ich schreibe selbst Provence-Romane. Das bleibt Herbert natürlich nicht verborgen, er findet mein eigenes Buch in mehrfacher Ausführung in meinem Regal. Ich bin froh, er übersieht charmant meine Züge zur Eitelkeit. „Wenn du es nicht selbst geschrieben hättest, ergäbe es keinen Sinn“, ist sein Fazit.

Dann sagt Sonja, Herbert hat herausgefunden, ich sei ein geordneter Mensch, meine Bücher seien alle sortiert. „Na ja“, räume ich ein, „ordentlich bin ich eigentlich nur, wenn es um meine Bücher oder meine Plattensammlung geht. Ich habe sie einfach alphabetisch sortiert. Nicht nach Farben, nicht nach Genres, nicht chronologisch nach Kaufdatum, das wäre mir zu anstrengend.“ Dann erfahre ich, dass ich mich für die Natur interessiere, er findet mein Ornithologie-Nachschlagewerk, er schlussfolgert, dass ich ein Kind habe, weil ich in meinem überforderten Vaterdasein Jesper-Juul-Bücher gekauft habe, und dass ich gerne und viel reise. Als er auch noch eingeschweißte Bücher findet, reimt er sich zusammen, dass ich Journalist bin und scheinbar Buchrezensionen verfasse. Stimmt alles. Sogar das Alter findet er heraus. Über 40 muss ich sein. Leute unter 40 haben sich nie mit Douglas Couplands „Generation X“ beschäftigt. Und ich besitze alle Jack-Kerouac-Bücher, habe scheinbar auch die Tom-Waits-, Bruce-Springsteen- und Leonard-Cohen-Biografien gelesen, Herbert erkennt es am durchgedrückten Buchrücken. Es lässt Schlüsse auf eine große Musikliebe zu. „Ja“, gestehe ich Herbert, „der DJ aus Highfidelity könnte auch meine Lebensgeschichte sein.“ Von Nick Hornby habe ich auch alle Bücher, stellt Herbert fest.

Ja, vielleicht bin ich treu, geordneter als ich es selbst wusste, ein hilfloser Vater und ein Musiknerd mit Hang zu schrägen Geschichten von Bären aus New Hampshire und einem Hang zu düsteren Paul-Auster-Büchern mit offenem Ende. Der Mann ist gut.

Herbert liest!
Der Literaturwissenschaftler Dr. Herbert Grieshop arbeitet hauptberuflich an der freien Universität in Berlin. Die 15 Folgen seines Blogs zählen noch zum Geheimtipp in der deutschen Literaturszene, doch die Fangemeinde wächst stetig. Sein Bücherblog erscheint monatlich. Das aktuelle Video-Blog ist auf buecher-magazin.de und herbertliest.de zu sehen.

 

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