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Live von der lit.Cologne: „Biologisch zweifelhaft, aber mythologisch einwandfrei.“

Raoul Schrott und Michael Köhlmeier (im Bild) sind bekannt für ihre Neuerzählungen von antiken Sagen. Sei es eine Neu-Übersetzung inklusive Erläuterung von Hesiods Theogonie oder eine literarische Version der Serie „Mythen – Michael Köhlmeier erzählt Sagen des klassischen Altertums“, die Autoren halten sich vielleicht nicht streng an das Versmaß des Originals, hauchen ihm aber neues Leben ein. Auf der diesjährigen lit.COLOGNE teilten sie sich die Bühne.

Die Geburt der Aphrodite, Prometheus und die Entstehung der Menschheit – laut Raoul Schrott sind dies Mythen, die jeder einmal gehört haben sollte. Er gestikuliert und deutet geographische Verortungen seiner Erzählungen an („Stellen Sie sich vor, die Leinwand hinter mir sei eine Landkarte!“). Er sei selbst schon mehrmals auf der Insel Euböa gewesen und habe als inspirativen Akt einen Berg bestiegen, von dem er heute erzählt. Dass es den Brunnen, der in der antiken Erzählung vorkommt, immer noch gibt, habe ihn sehr beeindruckt. Diese Begeisterung ist ihm anzumerken. Raoul Schrotts Auftritt wirkt wie eine angenehm lebendige Vorlesung – eine solche zu proben hatte der Autor ihm Rahmen seiner Poetik-Dozentur in Tübingen 2012 bereits Gelegenheit.
In seine Lesung lässt Raoul Schrott Passagen auf Altgriechisch einfließen, die Intonation klingt authentisch. Man nimmt es ihm sofort ab, wenn er sagt, Dichtung sei in der Antike Liturgie gewesen, nicht Wein, Weib und Gesang – aber habe sich in einem ähnlichen Rausch vollzogen. Auch wenn er von den Kontexten der Erzählungen spricht, ist ein Augenzwinkern stets dabei: „Sie müssen wissen, das waren Verhältnisse damals im antiken Griechenland…ähnlich wie heute in Moldawien. Oder in Griechenland.“
Raoul Schrotts Thesen zu Homer und Troja haben bereits vor einigen Jahren für Aufsehen und Kritik gesorgt. Auch an diesem Abend lässt er einen Seitenhieb in Richtung der Gräzistik nicht aus. Michael Köhlmeier, in seinen Erzählungen in Details von denen Schrotts abweichend, betont später, dass es stets mehrere Versionen der Mythologie gebe.
Michael Köhlmeiers Auftritt ist ruhiger, aber nicht weniger präsent. Mit feinsinnigem Humor spricht er von schwangeren Fliegen, göttlichen Oberschenkelgeburten und der Paarung von Gans und Schwan: „Biologisch zweifelhaft, aber mythologisch einwandfrei.“
Immer wieder versteckt sich in Michael Köhlmeiers Erzählungen ein verschmitztes „übrigens“, mit dem er eine Nebenhandlung anreißt, „…aber das erzähle ich heute nicht“. Vielleicht der Anlass für eine Fortsetzung des Abends?
Michael Köhlmeier vermag es, das Publikum weitaus länger in seinen Bann zu ziehen als die Viertelstunde, die seine Erzählungen klassischer Sagen im Fernsehen nur währten. Tatsächlich unterhielten beide Autoren das Publikum an diesem Abend so gekonnt, dass man nie genau wusste, ob sie gerade ablasen oder frei sprachen. Eine Moderation war genauso wenig nötig, wie es nicht notwendig gewesen wäre, die Veranstaltung reißerisch mit „Sex und Crime“ zu betiteln – die verschmitzten Pointen sprachen für sich. Am Ende gab es in der bis auf den letzten Platz gefüllten Kulturkirche langanhaltenden Applaus und sogar Jubelrufe.
Text: Melanie Schippling

 

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