Der erste fiese Typ
ERZÄHLUNGEN UND ROMANE
Informationen: , 19.99 €
Verlag: Kiepenheuer & Witsch
Rezension
Miranda July ist eine Künstlerin, die das Leben selbst zur Kunst erhebt. Egal, ob sie filmt, schreibt oder selbst performed - immer geht es ihr darum, die zwischenmenschliche Ebene auszuloten. Sie sucht die blinden Stellen im alltäglichen Miteinander und übersetzt sie in sinnlich-absurde (Sprach-)Bilder. Nun hat diese Situationistin ihre erste literarische Langstrecke vorgelegt und schafft das Kunststück, dass auch diese 336 Seiten wie im Flug vergehen. Cheryl, eine einsame Mittvierzigerin, mit ausgeklügeltem Ordnungssystem, mutet fast autistisch an, so sehr findet ihr Leben allein in ihrem Kopf statt. Doch dann platzt der erste fiese Typ in ihr Leben und der ist eine Frau: Clee, die 20-jährige Tochter ihrer Chefs, eine vollbusige Granate ohne allzu viel Grips, strandet auf ihrem Sofa und bringt das Chaos in Cheryls aufgeräumtes Dasein. Ihr ohnehin schon dicker Kloß im Hals treibt sie zu einer Therapeutin, die sie in die Kunst der Erwachsenenspiele einweiht. Als Clees parasitäres Dasein auch noch aggressive Züge annimmt, entdeckt endlich auch Cheryl den fiesen Typ in sich - und fühlt sich plötzlich sehr lebendig. In inszenierten Kampfszenen reagieren sich die beiden ungleichen Frauen fortan ab, bis Clee feststellt, dass sie schwanger ist und das Kind zur Welt bringen will. Und Cheryl die Rolle ihres Lebens übernimmt.
(ts)