"Jenseits der Stille" hieß 1996 ein Film, der die Themen Taubheit und Musik zusammenbrachte, und auch an Beethoven muss man sofort denken. Was Michael Roes in "Die Laute" aus dem Thema macht, ist nichts weniger als grandios. Das Bild des jemenitischen Jungen Asis, der sein Gehör verliert und gleichzeitig zum Musiker wird, steht dem Leser jederzeit plastisch vor Augen. Genauso wie Asis Töne und Geräusche zu "sehen" beginnt, genauso fühlt man sich beim bloßen Lesen im Inneren der Seele dieses Jungen. Roes' Sprache ist an keiner Stelle manieriert, immer zurückhaltend und doch punktgenau, obwohl der Text kunstvoll gebaut ist. Ein faszinierendes Buch gegen das Laute in der Welt.
(ct)
Verstehen ohne Sprache:
Wie klingt Musik, wenn man sie nicht hören kann? Michael Roes erzählt in ›Die Laute‹ die Geschichte von Asis, einem jemenitischen Jungen, der von Melodien erfüllt ist, nachdem er von einem Blitz getroffen wurde, und der sein Hörvermögen verliert, nachdem er einer brutalen Bestrafung unterzogen wurde. Asis erlernt die Gebärdensprache und erkämpft sich seine Position und seine Haltung als Gehörloser in der Welt der Hörenden. Es verschlägt ihn nach Polen, nach Krakau, wo er als junger Erwachsener zu studieren beginnt: Er wird Komponist.
Michael Roes führt den Leser in eine Welt von gefühlten Geräuschen, imaginierten Berührungen, gesehener Sprache und gebärdeten Gefühlen. ›Die Laute‹ ist ein berührendes Plädoyer für die tiefgreifende und umwälzende Kraft der Literatur und der Musik, die es ermöglicht, ein erfülltes Leben gegen alle äußeren Widerstände zu führen.
Nominiert auf der Longlist des Deutschen Buchpreises 2012