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Botschaften aus Babel: Ina Pfitzner (ipf)

Sprachfärbungen

Dis Love oder Dialekt übersetzen

Weil die Figuren in „Their Eyes Were Watching God“ Dialekt reden, verrissen Zeitgenossen den Roman als Minstrel-Show. Heute ist er weltberühmt. Doch wie funktioniert das auf Deutsch?

Zora Neale Hurston gibt in ihrem Roman über die Liebe ihren Figuren in der Mundart eine Stimme. Doch wie übersetzt man das? Ist Dialekt in der Literatur nicht immer Karikatur? Ist die Übersetzung nicht zwangsweise ein Behelf, da wir nun mal für Leute wie Janie und Tea Cake keine Sprache haben? „Dieses Buch“, schreibt Hans-Ulrich Möhring, „verlangt von einem Übersetzer, das Scheitern an der rundum entsprechenden Wiedergabe von vornherein anzunehmen ...“ All dis tearin’ down talk. Dat ganze niederträchtiche Gerede! Diese ewige Miesmacherei. Sicher ein Klassiker unter den Übersetzungsproblemen, aber nicht unmöglich. In dessen Lösung zeigt sich einmal mehr, wie sehr ein Übersetzer den Text prägt. Ihn schreibt!

Mit dem Übersetzen ist es nämlich wie mit der Liebe, die eem nich wien Mühlstein is, wat rundrum gleich is und mit alles, wat er berührt, dat gleiche macht. Liebe is wie die See. Immer in Bewegung, un trotz un alledem krichtse ihre Form von der Küste, wo se drauf trifft, bei jeder Küste wieder ne andre. So heißt es in der Übersetzung von 1993, in der Barbara Henninges den Text in einem rheinisch anmutenden Kunstdialekt erschlossen und mit einem ausgiebigen Glossar versehen hat.

Für seine Neuübersetzung stellte sich Möhring die Frage: Wie würde ein deutscher Schriftsteller über das schwarze Florida der 1920er-Jahre erzählen? Seine Antwort: Umgangssprache, markiert durch Wortschatz, Satzbau, doppelte Verneinungen und Ausdrücke wie das hat keinen Taug, aber nicht durch Aussprache. Und: Ganze Sätze und Satzteile bleiben auf Englisch stehen und sind zuweilen auf Deutsch wiederholt, sodass interessante Doppelungen entstehen: See dat? You’se got de world in uh jug – alle Welt liegt dir zu Füßen ... oder So trüb das Wasser ist, ich kann trocknes Land sehen – Ah can look through muddy water and see dry land.

So wird nicht einfach ins Deutsche hineingeglättet, sondern man gibt sich selbstbewusst als Übersetzung zu erkennen. Der Übersetzer begibt sich in die Musikalität der Sprache, hört auf ihren Blues und bürstet den Roman in diesem Sinne auf die Liebe zwischen Mann und Frau, dis love, hin. Die Figuren bewahren ihre Integrität und werden mit liebevollem Witz ausgestattet: Great God of Zion! wird zu Mein lieber Herr Gesangsverein! oder es werden die Hosen im selben Atemzug wortwörtlich und im übertragenen Sinne heruntergelassen.

Das Übersetzen wie die Liebe ist nämlich nicht so was ... wie ein Schleifstein, der überall gleich ist und mit allem das Gleiche macht, wo er mit in Berührung kommt. Love is lak de sea. Wie das Meer ist die Liebe, immer in Bewegung, aber seine Form kriegt es erst von der Küste, an die es trifft, und die ist von Küste zu Küste anders.

Im Idealfall, so auch in Möhrings eigenem Roman, übersetzt der Übersetzer aus Liebe und liebt das Buch auf seinem Schreibtisch. Da hier letztens von Traumübersetzungen die Rede war: Für ihn ist hier eines seiner am Horizont fahrenden Schiffe in den Hafen eingelaufen. Und das liest sich, honey. Das liest sich, Herzblatt!

Zora Neale Hurston: Their Eyes Were Watching God (1990). Harper Perennial, 207 Seiten, 9,90 Euro

Vor ihren Augen sahen sie Gott (2011). Übersetzt von Hans-Ulrich Möhring. edition fünf, 272 Seiten, 19,90 Euro

Und ihre Augen schauten Gott (1993). Übersetzt von Barbara Henninges. Ammann, 296 Seiten, 19,90 Euro, antiquarisch erhältlich

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