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Botschaften aus Babel: Ina Pfitzner (ipf)

Thank you thank you thank you

Zu vielen Büchern gehört heute eine neue literarische Form: Danksagungen. Und diese erzählen nicht nur von den AutorInnen und ihrer Arbeit, sondern auch vom Status des Schreibens und Übersetzens. 

Es ist geschafft, denkt die Übersetzerin nach Wochen und Monaten in einem fremden Denkkosmos. Aber dann muss meist noch die Danksagung übersetzt werden, mit einem unendlichen Synonymreservoir für Engagement, Unterstützung, Intelligenz. Warum wird im Deutschen und anderen Sprachen selten gedankt und nirgends so viel wie in Büchern aus den USA? Meine Theorie: Das liegt an der dort schon lange verbreiteten Auffassung, dass Bücher nicht im Vakuum entstehen und Autoren meist nicht als einsame Genies geboren sind, dass man Schriftsteller – Kreatives Schreiben – lernen kann. Das erste Seminar wurde 1897 an der University of Iowa angeboten, das Studienfach ab 1922. Zum Vergleich: Das Literaturinstitut in Leipzig gibt es seit 1955, den Studiengang in Hildesheim seit 1999.
 
So bedanken sich nicht nur Absolventen bei denen, die an sie „geglaubt haben“, und würdigen die Profis hinter den Kulissen – Agenten, Lektoren, Gestalter, Experten (für die Übersetzung heißt das: Geschlecht, Titel und Funktion recherchieren). Dabei ist die Grenze zum Angeben manchmal fließend: Mancher will sich mit prominenten Namen schmücken oder seine Bescheidenheit zur Schau stellen. Ann Patchett zum Beispiel scheut das „Performative“ der Danksagung und dankt lieber individuell und persönlich. 
 
Generell danken eher jüngere Autoren, eher Frauen, eher in Debütwerken, eher in Genre- und Unterhaltungsliteratur. Auf keinen Fall dankt man bei dem ganz großen Wurf; der muss selbstbewusst ohne daherkommen. „Man stelle sich vor, Thomas Mann ... hätte sich genötigt gefühlt, sich zu bedanken ... der Schaden für die Deutungen produzierende Germanistik wäre gar nicht abzusehen“, schreibt Michael Schikowski. 
 
Neben Quellenangaben oder Stipendien erwähnt man Familie und Freunde („Ohne euch hätte ich es nicht geschafft“, Maggie Groff), und sei es, weil das Buch ohne sie schneller fertig geworden wäre (wie bei P. G. Wodehouse). Neugierige Leser lesen die Danksagung zuerst. Sie ist nämlich die Brücke zwischen Fiktion und Realität. Der Autor selbst wird zur Hauptfigur, gewährt Einblicke in sein Leben. Die Danksagung erzählt aber auch eine zweite Geschichte des Buches: die seiner Entstehung. Bei Stephen King heißt es: „Ich möchte Sie ungern mit einer Dankesrede wie bei der Oscar-Verleihung langweilen – Autoren, die das tun, ärgern mich sehr...“ Dafür schreibt er ausgiebige Nachwörter über die Arbeit und Idee zu seinem Buch. 
 
Michel Houellebecq bleibt sich im Danken treu: „Meistens brauche ich niemandem danken, weil ich wenig recherchiere, im Vergleich zu amerikanischen Autoren sogar sehr wenig“, dankt aber „Wikipedia und den daran beteiligten Autoren“ als „Inspirationsquelle“. Manche Danksagungen enthalten mysteriöse Nachrichten an Unbekannte, so wie Tom Piazza eine Mary Howell fragt: „Are you going to eat that olive?“ 
 
Dann gibt es ironische Danksagungen wie bei Politthriller-Autor Nelson DeMille, der sich in „Operation Wild Fire“ beim Kaiser von Japan, der Queen, Bill Clinton, Bruce Willis, Einstein, Gorbatschow usw. bedankt, sowie bei Don DeLillo und Joan Didion, weil ihre Bücher im Regal immer vor und hinter seinen stehen, „danke, dass ihr da seid, Leute“ und bei dem belgischen König Albert II., wegen dem er in Brüssel im Verkehr steckenblieb und sich, „um die Zeit totzuschlagen, einen großartigen Plot über die Absetzung des Königs von Belgien ausdachte“.
 
Virginia Woolf versteckt ihren Dank in „Orlando“ im Vorwort: „Zum Schluss möchte ich, hätte ich seinen Namen und seine Adresse nicht verloren, einem Herrn in Amerika danken, der großmütig und unentgeltlich Interpunktion, Botanik, Entomologie, Geographie und Chronologie meiner früheren Arbeiten korrigiert hat und, wie ich hoffe, auch hier nicht mit seinen Diensten sparen wird.“ 
 
Und die Übersetzer? Die bleiben meistens ohne Dank. Aber in „So bin ich nicht“ dankt Anneliese Mackintosh ihrer deutschen Übersetzerin Gesine Schröder (die das selbst übersetzt). Und in Adam Johnsons „Nirvana“ gibt es gar eine einzeilige Rubrik „Danksagungen der Übersetzerin“. Ich danke, also bin ich, heißt es doch, oder? In diesem Sinne: vielen Dank! 

Übersetzt von Uli Wittmann
DuMont TB (2012), 416 Seiten, 9,99 Euro, als E-Book erhältlich
 
Übersetzt von Wulf Bergner
Heyne TB (2013), 1072 Seiten, 12,99 Euro, als E-Book erhältlich
 
Übersetzt von Anke Caroline Burger
Suhrkamp (2015), 262 Seiten, 19,95 Euro, als E-Book erhältlich
 
Übersetzt von Gesine Schröder
Aufbau, 256 Seiten, 19,95 Euro, als E-Book erhältlich
 
Übersetzt von Brigitte Walitzek
Fischer TB (1992), 256 Seiten, 8,95 Euro

 

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