Von einer, die auszog und einen literarischen Schatz fand, den sie ausgrub, polierte und in der Übersetzung zum Funkeln brachte.
Übersetzen in Pluderhosen: Hundertundeine Nacht
Es war einmal eine Arabischübersetzerin, die war – wie viele Übersetzer – nicht nur Übersetzerin, sondern zum Beispiel auch Musik
erin. So wurde sie eines Tages eingeladen, bei einer Ausstellungseröffnung im fernen Berlin die arabische Rohrflöte Nay zu spielen und während sie so durch die Ausstellung „Schätze des Aga Khan Museums“ schlenderte, fiel ihr Blick auf eine Vitrine mit einem besonders schönen Manuskript. Auf der aufgeschlagenen Seite hieß es: „Der Anfang des Buches aus 101 Nacht“. Ja, 101 Nacht und nicht 1001 Nacht. Und weil sie auch noch Arabistin war, entdeckte sie, dass die Handschrift aus dem Jahr 1235 und aus Andalusien stammte und viel älter war.
Sie machte sich daran, die Schrift zu entziffern und zu transkribieren und aus anderen Manuskripten zu ergänzen. Dann zog sie sich in ihre arabisch möblierte, doch in Niedersachsen gelegene, Übersetzerwerkstatt zurück und übersetzte und bearbeitete den Text in sieben Arbeitsgängen. Sie las vor Publikum, glich eine auf Band gesprochene Fassung mit dem Original ab, arbeitete die Lektoratsvorschläge ein, bis das fast vergessene Manuskript neu erstanden war und auf seine vielen neuen Leser wartete.
Dann zauberte der renommierte Klassikerverlag, den sie gefunden hatte, daraus eine Prachtausgabe mit Veloursumschlag, dicken, schweren Seiten und aufwendigem Layout, bei dem die im Original roten Passagen auch im Druck rot wiedergegeben sind. Die limitierte Vorzugsausgabe hat sogar Goldprägung, Goldschnitt und einen Samtschuber, den man zur Buchstütze umfunktionieren kann.
Der Verlag stattete das Buch aber auch mit einem wissenschaftlichen Anspruch aus, mit Beschreibung und Fotos der Handschrift, Transkription des Kolophons, Glossar, Personenverzeichnis, Erläuterungen zur Aussprache und einer Zeittafel. Die Übersetzerin verfasste ein Nachwort und einen fast 30-seitigen Bericht „Zur Übersetzung“, in dem sie ihre Arbeit erläuterte und ausgiebig Dank sagen konnte.
Und als wäre das noch nicht genug, präsentierte sie das Buch mit ihrem Instrument auf einer festlichen Lesung, reiste zur Buchmesse, gab Interviews, und ihr Verlag preist musikalische, kulinarische oder szenische Lesungen an, mit Sinfonieorchester oder ohne, aber immer mit Übersetzerin.
All diese wundersamen Dinge sind Claudia Ott tatsächlich geschehen.
Dafür gewährt sie einen Blick ins Zauberkästchen des Übersetzens, erklärt, wie sich das Andalusische vom Hocharabisch unterscheidet, warum sie ein Wort mal Kupfer, mal Bronze, mal Messing übersetzt, warum mal Araber, mal Beduine, warum Gott und nicht Allah und warum sie eigene Wörter schöpft, schildert die Unsicherheit des Übersetzens, wenn man sich etwas zusammenreimen muss, erläutert Formeln wie: „Ich bin es, So-und-So, der Sohn von dem-und-dem …“ Und wer sich von abgeschlagenen Köpfen und der beklagten Heimtücke der Frauen nicht beirren lässt, wird an dem fliegenden Ebenholzpferd, den Rittern und Lindwürmern, und vielleicht an dem Blick hinter die Kulissen große Freude haben, wie es in der arabischen Abschlussformel heißt: „… bis das sichere Ende sie ereilte“.
Claudia Ott
Die Übersetzerin wurde bereits für ihre Neuübersetzung von Tausendundeine Nacht (2004) gefeiert. Auch 101 Nacht, „die kleine Schwester von 1001 Nacht“, wie sie es nennt, wird von Schahrasad erzählt, die damit ihr Leben rettet. Schahrasad gleich erzählt die Übersetzerin über ihre Entdeckung und darüber, wie aus dem Manuskript ein Buch wurde.
101 Nacht. Aus dem Arabischen erstmals ins Deutsche übertragen von Claudia Ott nach der Handschrift des Aga Khan Museums. Manesse, 336 Seiten, 49,95 Euro
Limitierte Sonderausgabe mit Goldprägung
(500 Exemplare), 130 Euro
Hörbuch
Gelesen von Jasmin
Tabatabai, Thomas Loibl, Claudia Ott und weitere
der hörverlag,
555 Minuten/7 CDs,
39,99 Euro
Tausendundeine Nacht
Nach der ältesten arabischen Handschrift in der Ausgabe von Muhsin Mahdi erstmals ins Deutsche übertragen von Claudia Ott
C.H. Beck, 699 Seiten, 29,90 Euro
(11. Auflage, 2011)