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Botschaften aus Babel: Ina Pfitzner (ipf)

Zusammenspiel zwischen den Sprachen

In „Triest verkehrt“ führt uns Mauro Covacich in essayistischen, persönlichen Skizzen durch seine Heimatstadt. Die Wagenbach-Lektorin Susanne Müller-Wolff hat ihn dabei ins Deutsche begleitet.

Wie haben Sie den Titel ausgewählt?

Das Buch heißt im Original „Trieste sottosopra“, also „das Unterste zuoberst“. Der deutsche Titel ist nicht ganz wörtlich, trifft aber den Inhalt: über Triest erzählen, aber gegen den Strich gebürstet.

Das Genre ist eher hybrid.

In anderen Sprachen und literarischen Kulturen, vor allem auch in Italien, ist das Genre oft nicht eindeutig, und das ist für den deutschen Markt manchmal schwierig. Es ist nicht klar fiktiv, es ist aber auch kein reines Sachbuch, sondern irgendwo dazwischen. Von Covacich hatten wir einiges gelesen und gesehen, das ist ein interessanter Autor, mit einer besonderen Sprache. Sein Triest-Buch gefiel uns inhaltlich gut, und es ist von großer literarischer Qualität. Und weil immer mehr Leute entdecken, was für eine interessante Stadt Triest ist, haben wir uns getraut. Es ist aufgegangen.

Wie wählen Sie die Übersetzer aus?

Wir haben einen Stamm von bewährten Übersetzern, mit denen wir zusammenarbeiten. Für jüngere Autoren versuchen wir auch, jüngere Übersetzer zu gewinnen, weil dann eine bestimmte Sprache vielleicht leichter verstanden oder übertragen wird. Oft arbeiten wir mit einem neuen Übersetzer zunächst in einem Anthologie-Projekt zusammen, und wenn das gut geht, fragen wir ihn/sie dann beispielsweise für einen umfangreicheren Roman an. Esther Hansen ist eine dieser jüngeren Übersetzerinnen, und wir sind sehr froh über diese Zusammenarbeit, inhaltlich und persönlich. Sie kniet sich rein, hat zum Beispiel ein Reisestipendium für Triest „verwendet“: Sie wollte sich den Ort, die Dinge, die sie im Buch beschreibt, übersetzt, näher anschauen, um den Ton genau zu treffen. Das hat uns in unserer Wahl bestätigt.

Was sollte eine Übersetzung leisten?

Sie sollte dem Original treu sein, denn ein Autor wählt ja aus bestimmten Gründen eine bestimmte Sprache und die ist meist unauflöslich verwoben mit dem, was er erzählt. Wie macht er das, was für literarische und stilistische Mittel lässt er sich einfallen – es ist uns wichtig, das zu transportieren, weil das die literarische Vielfalt ausmacht. Das gebietet auch der Respekt vor dem Autor. Der Text sollte beim Leser die gleiche Wirkung erzielen wie das Original.

Wie verläuft die Arbeit am Text?

Beim Lektorat habe ich Originaltext und Übersetzung nebeneinanderliegen und gleiche genau ab, wobei zwei Kriterien ganz wichtig sind: Das eine ist die Nähe zum Original, dass die Übersetzerin den Ton und eine bestimmte Sprachmelodie trifft, und zum anderen muss es im Deutschen ein flüssiger und gut lesbarer Text sein. Es ist die Arbeit des Lektors, darauf zu achten, dass beides zusammengeht. Meine Korrekturen sind dann die Diskussionsgrundlage, wenn wir die strittigen Stellen durchgehen. Dazu kommt im Idealfall der Autor selbst, denn bei fast jeder Übersetzung gibt es zwei oder drei Fragen. Es ist ein Zusammenspiel zwischen Übersetzer, Autor und mir als Lektorin.

Wie stehen Sie zu literarischen Fußnoten?

Bei Übersetzungen braucht manches eine Erläuterung, weil der deutsche Leser mit bestimmten Begriffen oder Eigennamen nicht vertraut ist; dann ergänzen wir einen erklärenden Einschub oder eine Fußnote. In anderen Büchern legen wir ein Glossar an und erläutern beispielsweise sardische Süßigkeiten oder Speisen. Bei Eigenarten der Triester Landschaft wie Foiba und Doline zum Beispiel ist es eine Gratwanderung, wie viel erklärt man, wie viel lässt man an Lokalkolorit und schickt den Leser auf die Spur, mutet ihm zu, selbst nachzuschlagen. Das sind Entscheidungen, die man gemeinsam mit dem Übersetzer trifft.

Wie ist das Buch aufgenommen worden?

Es ist sehr positiv besprochen worden, aber es hat auch vielen Buchhändlern gefallen, die ihre Kunden gut kennen, und wissen, wer reist, nicht zuletzt – bei Triest liegt das nahe – in Österreich. Da gab es viele Buchhändler, die eine Menge für das Buch getan haben.

Susanne Müller-Wolff
geb. 1969, studierte Kunstgeschichte und Germanistik, u. a. auch in Rom. Nach der Promotion arbeitete sie beim E. A. Seemann-Verlag. Seit 2008 ist sie bei Wagenbach Lektorin für Kunst, Kulturgeschichte und italienische Literatur.

Mauro Covacich: Triest verkehrt – Fünfzehn Spaziergänge durch die Stadt des Windes. Übersetzt von Esther Hansen, Wagenbach (2012), 144 Seiten, 10,90 Euro

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