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Die Schönsten Liebesromane: Jeanne Wellnitz (jw)

Unzerstörbar wie ein Diamant

Richard Mason: Suzie Wong

Um seinem leeren englischen Alltag zu entfliehen, verschlägt es den Maler Robert Lomax an die Peripherie des britischen Empire. Im Hongkong der Fünfziger Jahre trifft er auf eine seelisch missbrauchte, doch aufrechte Frau, dessen Herz, „unzerstörbar wie ein Diamant“, ihn zutiefst berührt.

„Ich wünsche kein Gespräch“ antwortet Suzie Wong als Robert sie anspricht. Abgewiesen. Ob er Matrose sei, will sie trotzdem wissen. Die Fähre nach Wanchai nimmt ihre Fahrt auf und Robert widerspricht, „keine Spur.“ So unterhalten sie sich doch und die seltsame, schöne Frau erklärt, „Jungfrau – so was bin ich“ und der Maler lacht. Eine Einladung zum Dinner schlägt sie dennoch aus und verschwindet im Menschengewühl des Hafens.

Der reisende Ich-Erzähler sucht in Hongkong das freiwillige Exil. Die Kronkolonie bietet ihm eine exotische Welt, in der er die Freiheit atmet, die England ihm nicht bietet. Er nimmt im Hotel Nam Kok ein Zimmer – für einen Monat – und versteht den belustigten Blick vom Empfangschef des Stundenhotels erst, als er in der Hotelbar auf betrunkene Matrosen und „herumflatternde“ chinesische „Bar-Frauen“ trifft. Unter ihnen entdeckt er bestürzt die schöne Fremde von der Fähre.
 
Zwischen den Welten

Als sein Telefon klingelt, ist er erstaunt, dass es Suzie ist, die in den Hörer schreit, weil sie denkt, er höre sie womöglich nicht. Sie besucht ihn und erklärt, dass sie auf der Fähre davon träumte, eine „reine“ Frau für ihn zu sein. Sie singt ein rührendes „Wolkenlied“ auf sein Magnetofon und erzählt von ihrem Baby, das immerzu hustet „Kuch-kuch. Kuch-kuch.“ Von nun an sitzt Suzie jeden Tag bei ihm, sie reden nächtelang, sie schaut ihm beim Malen zu und kitzelt dabei ihr kleines Kind, bis es „fast platzt“. Beide beginnen, einander zu lieben.

Doch die Gefangenschaft ihres Berufs widerspricht der abendländischen Verbindung von Liebe und Sex. Robert erklärt, „Wenn ich dich lieben würde, dann würde ich wollen, dass du zu mir gehörst.“ Suzies Liebe braucht diesen Rahmen nicht: „Man geht zu Bett mit einem Matrosen – nichts passiert inwendig. Nichts im Herzen. Geh ich ins Bett mit Ihnen – alles passiert. Liebe. Ich fühle mich schön. Ich denke: mein Mann. Sie denken: meine Frau.“ Er ist gerührt, weist sie aber trotzdem zurück. Verletzt wendet sie sich ab, ernennt einen englischen Geschäftsmann zu ihrem „Dauerfreund“ und Robert weiß, dass sie nun in einer Welt ist, in die er ihr nicht folgen kann. Als die Liaison gelöst wird, bleibt Suzie gedemütigt zurück. Ihr Kummer schmerzt Robert. Den ganzen Abend hält er ihre Hand und plötzlich fühlen sie sich, als hätte „die Welt eben erst begonnen.“
 
Traum und Wirklichkeit

Doch diese Welt endet, als Suzies Erspartes aufgebraucht ist. Sie muss wieder arbeiten, um ihr Kind zu versorgen. Robert kann das finanziell nicht tragen. Sie verlässt das Nam Kok, um ihn nicht öffentlich zu demütigen. Er fällt aus der himmlischen Verliebtheit und sein Leben oszilliert, genauso wie die gespaltene Stadt Hongkong, zwischen Magie und Abgrund. Wochen der Qual martern den ohnmächtigen Protagonisten. Heimweh nach England wird wach. Er flieht in die „englische Welt“ der Stadt, krankt jedoch schnell an den Grässlichkeiten des „kolonialen Cocktailparty Geschwätzes.“ Suzie fehlt. Sie wird jedoch bald durch ein grausames Ereignis wieder in sein Leben treten.

Für den Helden bleibt Suzies Welt bis zum Schluss ein faszinierendes Mysterium. Doch die Figur „Suzie Wong“, die in den Augen vieler Kolonialengländer moralisch verloren hat, handelt in ihrer Liebe zu Robert letztendlich immer ehrenwert. Ihre Lebenseinstellung ist Teil der exotischen Unergründbarkeit des „Fremden“ und beider Liebe lässt sich als Metapher für die Suche nach einem Platz in dieser Welt lesen: Und solange sie einander lieben, haben sie diesen Platz gefunden.

Richard Mason: Suzie Wong. Übersetzt von Edmund Th. Knauer. Unionsverlag, 442 Seiten, 12,90 Euro

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