Jump to Navigation
Überschätzte Bücher: Stefan Volk (smv)

Erst gefeiert, dann verteufelt

Helene Hegemann: Axolotl Roadkill

Erst gefeiert, dann verteufelt. Helene Hegemann sorgte mit „Axolotl Roadkill“ für Furore. Dabei ist ihr Romandebüt ein furchtbar banales Buch: altklug, wichtigtuerisch und peinlich-pubertär.

Eines vorweg: Es geht hier nicht darum, dass Helene Hegemann geklaut hat. Ob das anfangs enthusiastisch gefeierte Werk nun von Airen oder ihr stammt, ändert nichts daran, dass es kaum auszuhalten ist. So aufwühlend? So gnadenlos? Nein: So schlecht. Die 16-jährige Ich-Erzählerin Mifti sondert auf 200 Seiten einen altklug-wichtigtuerischen Formulierungsmix ab, der derart auf Effekt, Provokation und Coolness gebürstet ist, dass man sich für die hymnischen Kritiken, die „Axolotl Roadkill“ serienweise einheimste, eigentlich fremdschämen müsste.

Ob die Autorin aus bildungsbürgerlichem Hause die Party-, Drogen-, Sex- und Diskursexzesse der selbstgefällig schwadronierenden Mifti nun am eigenen Leib erfahren hat oder nicht, spielt dabei keine Rolle. So oder so stehen am Ende aufgeblasene Sätze wie: „Und obwohl ich als aufgeklärter Mensch die Hölle lange Zeit als machtpolitisches Instrument gedeutet habe, glaube ich jetzt an sie.“ Gefolgt von pseudophilosophischen Phrasendreschereien: „Momentan geht es sowieso nur noch um die Dekonstruktion des Tageslichts oder auch um eine Neudefinition moralischer Werte, und außerdem geht es um entkoffeinierten Zimtcappuccino mit Amaretto und darum, dass wir keine Zigaretten mehr haben und um das unausweichliche Weitersaufen.“

Gefickt und so wird natürlich auch, sehr derb, aber schlau – Blow Jobs fürs Feuilleton, mit Foucault im Hinterkopf – und unheimlich heutig. „Axolotl Roadkill“ ist wohl die plumpeste, penetranteste Anbiederung an Jugendjargon seit der „Volxbibel“: „Vor zwei Wochen ist mir wieder so was Komisches passiert, als ich nachts durch die Choriner Straße gelatscht bin und auf der gegenüberliegenden Straßenseite plötzlich so eine megaagressive Gruppe kleiner Vollprolls gesehen habe. Mit Basecaps, in die Socken gesteckten Billigjeans und einem schwerstminderjährigen Girl in spitzen Pumps von Deichmann im Schlepptau.“ Frisch und frech fanden das viele, attestierten dem Buch einen „eigenen Sound“, „radikale Subjektivität“ – vielleicht sollte sich ja Mario Barth mal um den Büchner-Preis bewerben.

Fairerweise soll hier nicht verschwiegen werden, dass es zwischen all dem plakativ inszenierten Gehabe, unter den prahlerisch aufgehäuften Sprachhülsen auch einige stille, empfindsame Momente, vielleicht sogar ein literarisches Talent zu entdecken gibt, das mit neuen Stilformen experimentiert. Die Lust daran, zwischen den Zeilen zu forschen, vergeht einem aber schnell, wenn Hegemann den selbstreflexiven Holzhammer schwingt: „Wie du immer mal wieder ‚sozusagen’ an Satzenden anbaust, überhaupt der Trick, mit Füllwörtern intellektuelle Sätze verworren und atemlos zu machen – beeindruckend, Mifti!“

Tatsächlich wird in „Axolotl Roadkill“ von vorn bis hinten getrickst, in einem im nervigsten Sinne pubertären Stil Tiefgründiges vorgespiegelt, wo nicht mehr drin steckt als die Frage: „Ist das meine Kotze? Bringt mich das mir jetzt irgendwie näher?“ Atemlos? Beeindruckend? Langweilig trifft es wohl eher.

Helene Hegemann: Axolotl Roadkill. Ullstein, 208 Seiten. 14,95 Euro

Themenwelten

Senioren, Greise, Silver Surfer

Senioren, Greise, Silver Surfer

Alte Menschen in der Literatur

Vom Eise befreit

Vom Eise befreit

Frühlingsliteratur

Über das Denken

Philosophie für Kinder

Von Geburt an Philosophen

Wer sind die anderen?

Afrika

Der so genannte dunkle Kontinent

Familiengeschichten

Vater, Mutter, Kind, Krieg

Familiengeschichten

Wirtschaftskrisenwerke

Wirtschaftskrisenwerke

Über Gier und Risiko