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Überschätzte Bücher: Stefan Volk (smv)

Alexander von Schönburg: Die Kunst des stilvollen Verarmens

Armut ist die reinste Gaudi, wenn man sie nur richtig beherrscht: Mit dieser zynischen Botschaft avancierte „Die Kunst des stilvollen Verarmens“ zum Bestseller. Auch Alexander von Schönburg hatte eine Zeit lang seinen Spaß am Arm sein. Jetzt macht er wieder was anderes.

Nein, Konsum ist nicht alles. Und ja, es muss noch etwas anderes geben als Statusdenken und Karriereplanung. Nur, was könnte das sein? Alexander von Schönburg stellt sich in seinem Buch diese Frage aller Fragen, und seine überraschende Antwort lautet: Stil. Das klingt nun zwar nicht nach einer besonders tiefschürfenden Gesellschaftsanalyse, liest sich mitunter aber recht amüsant. So erhebt der Autor „schnelles Spazierengehen in der Natur“ zur „stilvollsten“ aller Sportarten: „Im Moment heißt es, glaube ich, Walking und wird in den Geschmacksrichtungen Hill-, Nordic-, Power-, ZEN-, Race-, Aqua-, Vital- und Body-Walking angeboten.“ Da darf man schon mal schmunzeln.

Nimmt man von Schönburgs in süffisant-selbstzufriedenem Kolumnenjargon dargebotene Weisheiten aber ernst, ist das eigentlich nur noch zum Lachen. Du hast kein Geld fürs Fitnessstudio? Kein Problem, dann geh halt spazieren! Aber bitte mit Stil. Wer braucht schon ein Handy, ein Auto oder ein Luxusappartement? Karriere macht krank, Urlaub dumm, und der „Gang ins Restaurant“ entpuppt sich meist sowieso als „eine Qual.“ Viel schöner und stilvoller isst es sich doch zu Hause, mit oder bei Freunden. Überhaupt verdirbt Geld Charakter und Geschmack. Armut hingegen kann adeln. Man muss sie nur als Chance begreifen, sich auf die wesentlichen Dinge des Lebens zu besinnen.

So etwas kann nur einer schreiben, der nicht weiß, wovon er redet. Alexander Graf von Schönburg-Glauchau kennt sich mit „relativer Armut“ vermutlich etwa so gut aus wie ein Topmanager, der in einem Führungskräfteseminar einen halben Tag lang in die Rolle eines Obdachlosen schlüpft und das Leben auf der Straße hinterher mit einem Abenteuerurlaub vergleicht. Man ist ja im Freien.

Alexander von Schönburg verkauft seinen Knigge für Minderbemittelte als persönlichen Erfahrungsbericht. Immerhin musste er, in der Zeit, in der das Buch entstand, seine Familie mit dem „schwankenden Einkommen“ eines freiberuflichen Journalisten „über Wasser halten“. Ein Kapitän auf schwerer See … Allzu große Angst vorm Kentern musste der Bruder von Fürstin Gloria von Thurn und Taxis wohl nicht haben. Und die Wogen legten sich dann ja auch schon bald. In seinem Buch pries von Schönburg die Vorzüge des häuslichen Arbeitsplatzes noch in höchsten Tönen: „Für den Weg zum Arbeitsplatz, vom häuslichen Frühstückstisch an meinen Computer, brauche ich, je nach Verkehrslage, zwischen zehn und zwanzig Sekunden, während ich früher täglich insgesamt zwei Stunden im öffentlichen Personennahverkehr zubrachte.“ Dann avancierte seine hehre Absage an den Karrierewahn zum Bestseller, und schon räumte er den geliebten Schreibtisch im familiären Ambiente wieder. Jüngst ist er zum Textchef von „Bild“ aufgestiegen. Die prekären Lebensverhältnisse, so scheint es, dauerten bei Herrn von Schönburg gerade mal lange genug, um einmal „Der kleine Prinz“ zu lesen und die Lektüre anschließend in einem vor pseudophilosophischen Platitüden nur so strotzenden Buch zu verarbeiten. Freilich: Gastfreundschaft ist mehr wert als Designermöbel, man kann auch ohne Geld glücklich sein und die „armen Reichen“ bedauern, deren Glück permanent das Geld „im Wege steht“. Unangenehm aber ist die kumpelhafte Attitüde, mit der von Schönburg aus seinem Elfenbeinturm des „verarmten Adels“ und längst auf dem Weg zurück in die Chefredaktionen ein munteres „Haltung bewahren“ in die Gosse hinunter trällert. Er selbst hat gut daran verdient, dass er Armut zum besseren „Lifestyle“ verklärte.
Dass „Die Kunst des stilvollen Verarmens“ ein Verkaufsschlager wurde, mag ironischerweise daran liegen, dass es als spöttische Abrechnung mit dem allgegenwärtigen Konsum- und Arbeitsmarktterror einen Nerv traf. Was sein Autor aber völlig ignorierte, ist, dass Armut das Gegenteil von selbstbewusstem Konsumverzicht bedeutet. Armut heißt, es sich nicht aussuchen zu können. Von all den Zwängen, den fehlenden Entscheidungsspielräumen, Existenzängsten liest man bei Alexander von Schönburg so gut wie nichts. Stattdessen fordert er dazu auf, sich freudig, spielerisch in sein Schicksal zu fügen. Das ist stockkonservativ, zutiefst verlogen und zynisch bis ins Mark.

Alexander von Schönburg: Die Kunst des stilvollen Verarmens. Wie man ohne Geld reich wird. rororo, 240 Seiten, 4,99 Euro. Auch als E-Book erhältlich

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