Jump to Navigation
Überschätzte Bücher: Stefan Volk (smv)

David Safier: Jesus liebt mich

Jesus tanzt Salsa, Erzengel Ga­briel steht auf Dessous und Satan sieht aus wie George Clooney. Das Humorprinzip in David Safiers Megabestseller „Jesus liebt mich“ ist stets dasselbe. Klug kalkuliert, zielsicher platziert, aber auf Dauer vor allem peinlich und ermüdend.

Jesus als Barkeeper, die Muttergottes als Tochter eines Tankstellenpächters, das alles gab es schon. David Safier war bei Weitem nicht der Erste, der sich vorgenommen hat, der Bibel und ihren Protagonisten einen zeitgemäßen Anstrich zu verpassen. Selten aber geschah das derart uninspiriert wie in Safiers Megabestseller „Jesus liebt mich“. Jesus alias Joshua kehrt darin kurz vor dem Tag des Jüngsten Gerichts auf die Erde zurück und verliebt sich in die unscheinbare Marie, aus deren Perspektive der Roman erzählt ist. Irgendwann im Laufe der grotesken Romanze ist Jesus dann kurz davor, seinen Job als Gottessohn hinzuschmeißen, um endlich ein ganz normales Leben führen zu können. Oberflächlich erinnert das an Martin Scorseses Jesusfilm „Die letzte Versuchung Christi“, den sich Marie in „Jesus liebt mich“ als eine Art Messias-für-Dummies-Lehrvideo anschaut, nachdem Joshua ihr das Leben gerettet hat, indem er sie übers Wasser trug. Anders aber als Scorsese hat Safier mit einer ernstgemeinten, kritischen oder gar provokativen Auseinandersetzung mit dem „Neuen Testament“ offenbar nichts am Hut. Zwar macht er sich über „Jesus Christ Superstar“ lustig: „Jesus sang Musical-Hits! Sein Darsteller grimassierte dabei wie Louis de Funès und wirkte auch ähnlich ausgeglichen“, lässt er seinen nervtötend kecken Moppel-Ich-Maria-Magdalena-Verschnitt Marie während ihres kleinen Bibelcrashkurses lästern. Aber auch da zählt nur die Pointe.

Tatsächlich nämlich setzt Safier noch einen drauf und verwandelt Christus zum romantischen Helden einer Seifenoper. Das Einzige, was ihn wirklich am Gottessohn zu interessieren scheint, ist dessen komödiantische Fallhöhe. Egal ob enthemmt tanzende Oberstudienräte, Vin Diesel als „Babynator“, Hitler beim Surfen im „Internetz“ oder eben Jesus beim Salsatanz: Das komische Kontrastprinzip ist stets dasselbe. Stell dir mal vor: Jesus beim Karaoke, er singt erst „La Bamba“ und dann Xavier Naidoo! Hahaha! Und als ihm eine als Zugabe „We will rock you“ vorschlägt, fragt er „Handelt das von einer Steinigung?“ Hohoho!

Spätestens hier liegt es nahe, den Autor von „Jesus liebt mich“ noch mal zu googeln, um sicherzugehen, dass David Safier nicht doch nur ein Pseudonym für Otto Waalkes ist („Jesus and Mary are sitting in the kitchen …“). Wir wissen: Ist es leider nicht. Safier hat als Drehbuchautor für charmant-unterhaltsame Fernsehserien wie „Nikola“ oder „Mein Leben & Ich“ die Dialoge geschrieben: frisch, frech, liebenswert. Vielleicht liest sich deshalb „Jesus liebt mich“ von vornherein wie das Buch zum Film, der erst hinterher gedreht wurde. Wie ein Abklatsch nämlich, ein lauer Aufguss des flapsigen Schnodderschnauzenhumors, der vor zehn, fünfzehn Jahren im deutschen Serien-TV noch innovativ war. Und den Safier für seine Jesus-Liebesschnulze mal wieder aufwärmt; mit lustlos-humorigen Setzkastensätzen wie: „Unsere Hochzeit begann wie bei vielen anderen Paaren auch: mit einem mittleren Nervenzusammenbruch der Braut.“

Es ist ein zäher Eintopf aus Beziehungskomödienklischees (der Vater mit der jungen weißrussischen Geliebten aus dem Internet) und plakativ-schrulligen Typen (der platonisch-katholische Freund, die tumorkranke, atheistische Schwester …), den Safier in seinem Erfolgsroman anrührt. Am peinlichsten aber geraten jene Stellen, in denen Religion und Glaube zum Herrenwitzreservoir verkommen. Da lobpreist der menschgewordene Erzengel Gabriel die Dessous von Maries Mutter, und Marie muss hinterher dem sichtlich irritierten Jesus weismachen, ein Dessous sei etwas zum Essen. Und natürlich denkt sich der göttlich-naive Zimmermann auch nichts dabei, wenn er sich mit Marie „zum Hobeln“ auf dem Dachboden verabredet.

Nichts davon ist böse gemeint, alles bloß ein harmloses Späßchen mit der esoterisch weichgespülten „Frohen Botschaft“ und einem Knackhintern-Heiland wie aus der „Volxbibel“ entsprungen. So absurd und dreist Safier das alles zusammenpappt, zur bissigen Blasphemie taugt seine apokalyptische Kolportage nicht. Dafür ist ihm Jesus und das, was er über ihn zu sagen hat, wohl einfach nicht wichtig genug.

David Safier: Jesus liebt mich
rororo, 302 Seiten, 8,99 Euro, als E-Book erhältlich

Hörbuch
Gelesen von Anna Thalbach und Detlef Bierstedt
Argon, 317 Min./4 CDs, 12,95 Euro

David Safier
geboren 1966 in Bremen, arbeitete zunächst als Journalist, ehe er ab 1996 zu einem der bekanntesten Drehbuchautoren des deutschen Fernsehens aufstieg. Unter anderem verfasste er Drehbücher für die TV-Serien Nikola, Himmel und Erde und Die Camper. Die von ihm konzipierte Sitcom Berlin Berlin wurde 2003 mit dem Adolf-Grimme-Preis ausgezeichnet. 2007 debütierte er mit Mieses
Karma als Romanautor und landete gleich einen Bestseller. Seitdem hat er vier weitere Romane veröffentlicht.Test

 

Themenwelten

Senioren, Greise, Silver Surfer

Senioren, Greise, Silver Surfer

Alte Menschen in der Literatur

Vom Eise befreit

Vom Eise befreit

Frühlingsliteratur

Über das Denken

Philosophie für Kinder

Von Geburt an Philosophen

Wer sind die anderen?

Afrika

Der so genannte dunkle Kontinent

Familiengeschichten

Vater, Mutter, Kind, Krieg

Familiengeschichten

Wirtschaftskrisenwerke

Wirtschaftskrisenwerke

Über Gier und Risiko