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Wiederentdeckte Klassiker: Helmut Krausser

Ein großartiger Dokumentarroman

Arthur Koestler: Ein spanisches Testament

Es gibt einige Meisterwerke, die die Literatur dem Spanischen Bürgerkrieg zu verdanken hat. Doch das, neben Orwells „Mein Katalonien“ vielleicht beste, war lange Jahre nicht auf Deutsch erhältlich - und solche Fälle erschüttern immer wieder. Wie kann es sein, dass ein so großartiger Dokumentarroman wie „Ein spanisches Testament“ beinahe durchs Raster der kollektiven Erinnerung gefallen wäre?

Über die Gattungszuordnung ließe sich streiten, denn es handelt sich um sehr persönliche, man muss annehmen, wahrheitsgetreue Erinnerungen in kommentierter Tagebuchform. Allerdings hat Arthur Koestler den Großteil des Textes erst nach seiner Einkerkerung verfasst und durchaus mit hohen literarischen Ambitionen. So fehlt es bei aller Sachlichkeit nicht an poetischen Ausritten und existenzphilosophischen Betrachtungen. Es ist ein angenehm unheroisches Buch, auch wenn sein Verfasser, der kommunistische Journalist Koestler sich politisch keine echte Blöße gibt. Doch das ist verständlich und in Ordnung, solange die innere Wahrhaftigkeit des Buches nicht leidet. Es handelt sich eben nicht um billige Antifranco-Propaganda, die die Ereignisse schrecklicher schildert, als sie waren.

Koestler, der den Fall Málagas miterlebte, wurde von einem Standgericht zum Tode verurteilt, dann aber, nach zähen Verhandlungen, gegen eine republikanische Geisel ausgetauscht. Man weiß von Anfang an um den glücklichen Ausgang der Geschichte, doch die Kunstfertigkeit des Autors erhält die teils atemberaubende Spannung aufrecht. Es klingt zynisch zu sagen, dass Todesangst kein schlechtes Motiv für die Produktion von Literatur sein muss. Fakt ist wohl, dass sie die Spreu vom Weizen trennt. Koestler hätte so vieles falsch machen können, aber alle Klippen umschifft. Er schildert die allnächtliche Angst erschossen zu werden, den Tod von Tausenden Gefangenen ohne falsches Pathos oder die Glorie des Aufbegehrens. Er bekennt seine Lähmung und Ohnmacht, macht seine kleinen Strategien mit der Haft fertig zu werden oft sogar lächerlich. Selbst dem politischen Gegner Carlos, einem jungen italienischen Faschisten, der irgendwann sein Zellengenosse wird, zollt er Respekt und zeigt ihn einzig als Menschen und Mitleidenden. Genau darin unterscheidet sich Koestlers Buch vom Pamphletcharakter vieler ähnlich gearteter Berichte. Seine sozialistische Überzeugung verwandelt sich nie in Phrasen und Parolen oder wütenden Hass, sie agiert auf einer beeindruckenden humanistischen Basis, der keine menschliche Schwäche fremd scheint.

Nicht zuletzt benennt er die eklatanten Fehler, durch die die Eroberung Málagas erst möglich wurde. Wahrscheinlich haben ihn damals, das Buch erschien noch im Jahr seiner Verhaftung, viele linke Wohnzimmerstrategen gar als Nestbeschmutzer beschimpft. Koestler beschreibt die Schrecklichkeit des Krieges, den Verlust der individuellen Würde, beinahe nebenbei, fast nonchalant, als kruden Totentanz, mit einer Art Traumlogik und oft bitterschwarzem Sarkasmus. Selten durfte ich in dieser Rubrik auf ein ähnlich bedeutendes Buch hinweisen.

Arthur Koestler: Ein spanisches Testament – Aufzeichnungen aus dem Bürgerkrieg. Fischer Verlag, zurzeit nur antiquarisch verfügbar

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