Maj Sjöwall
Ganz im Gegensatz zu vielen Mitbewerbern wie Hakan Nesser oder Henning Mankell, deren Bücher man hierzulande in Buchhandlungen kaum ausweichen kann. Ärgert Sie das?
„Ärgern“ wäre wohl der falsche Ausdruck. Ich wundere mich aber durchaus darüber, wie gut sich derartige Krimis heutzutage verkaufen – nicht nur in Deutschland, sondern auch bei uns sowie in vielen anderen Ländern. Denn ich persönlich finde, dass viele dieser Skandinavien-Krimis schlichtweg schlecht geschrieben sind. Zu unserer Zeit gab es in meiner Heimat höchstens ein halbes Dutzend Kriminalautoren. Heute dagegen scheint die Hälfte der schwedischen Bevölkerung Krimis zu schreiben. (lacht)
Was konkret haben Sie an zeitgenössischen Krimiautorinnen und -autoren auszusetzen?
Manche fallen stilistisch ganz einfach erbärmlich aus, bei anderen wiederum ist das genaue Gegenteil der Fall: Manche Autoren glauben, sie seien berufen, anspruchsvollere literarische Texte zu verfassen, die am besten im Gewand eines Krimis daherkommen sollten – nur um sich möglichst gut zu verkaufen. Dieser Schuss geht dann meist erst recht nach hinten los. Per und ich dagegen haben nie etwas anderes gewollt, als breite Bevölkerungsschichten mit einfach, aber spannend geschriebenen Geschichten zu unterhalten.
Gibt es bei aller Kritik auch Kollegen, deren Bücher Sie mögen?
Leif G.W. Persson gefällt mir sehr gut. Er verfügt nicht nur über eine gehörige Portion Humor, sondern weiß als ehemaliger Berater der obersten schwedischen Polizeibehörde auch ganz genau, wovon er schreibt. Andere schwedische Autoren lese ich so gut wie gar nicht. Was das Genre Skandinavien-Krimi anbelangt, empfehle ich insofern eher Anne Holt aus Norwegen und Gretelise Holm aus Dänemark. Die Bücher beider Autorinnen übersetze ich für einen befreundeten Verlag seit längerem ins Schwedische.
- Ein Apple iMac als Arbeitsgerät, ein Bügelbrett als Buchablage: Autorin und Übersetzerin Maj Sjöwall an ihrem Arbeitsplatz iin ihrem Stockholmer Büro.
Seit Per Wahlöös Tod sind Sie selbst nur noch selten als Autorin aktiv geworden, meist von Artikeln und Kurzgeschichten. Wie haben Sie die vergangenen 35 Jahre sonst noch verbracht?
Zum einen habe ich viel Zeit damit verbracht, meine Kinder zu erziehen und später meine Enkelkinder aufwachsen zu sehen. Auch laufe ich gerne durch die Straßen, um andere Menschen zu beobachten. Oder ich setze mich irgendwo hin und lese ein Buch. Dabei genieße ich es, unerkannt zu bleiben. Mir ist es nämlich zuwider, mich den Regeln des Büchermarktes auszusetzen und stets medienwirksam in der Öffentlichkeit präsent sein zu müssen. Insofern genieße ich meine Anonymität geradezu. (blickt zum hörBücher-Fotografen) Im Grunde mag ich es auch nicht, fotografiert zu werden. (lacht)
Immerhin treten Sie ab und zu als Stargast auf einem regelmäßig stattfindenden Krimifestival in Norddeutschland auf …
Ja, und als ich im Zuge dieser Veranstaltung beim letzten Mal an einer kleinen Buchhandlung vorbeikam, wagte ich meinen Augen kaum zu trauen: Im Schaufenster wurde mit viel Liebe und Sorgfalt die Neuauflage unserer zehn Martin-Beck-Romane präsentiert. Ähnliches hatte ich zuvor sehr lange nicht mehr erlebt. Erst überlegte ich hineinzugehen, um mich beim Händler zu bedanken. Aber dann habe ich es doch nicht gemacht. Irgendwie wäre es mir zu peinlich gewesen.
