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Interview: Meike Dannenberg (md) | Fotos: Meike Dannenberg

Kristín Marja Baldursdóttir

Wasser und Eis

Kristín Marja Baldursdóttir gehört zu den bekanntesten isländischen Autorinnen. Ihre Romane sind in etliche Sprachen übersetzt und Touristen reisen an die wunderschön beschriebenen Orte der Handlung. Häufig dreht diese sich um außergewöhnliche Frauen. Bücher traf die Schriftstellerin in ihrem Haus in Reykjavík und sprach mit ihr über die Rolle der Frauen.

Karitas“, Ihr Buch mit dem deutschen Titel „Die Eismalerin“, erzählt die Geschichte einer jungen, isländischen Frau, die vor einhundert Jahren Malerin auf der Insel wird. Wie kam es zu dem Buch?

Alles was ich schreibe in „Karitas“ ist wahr, die Umgebung, die harte Arbeit. Ich schuf eine Landschaft aus Fakten, um dann die Fiktion einzubetten. Ich hatte immer das Gefühl, isländische Frauen seien stark, aber ich habe mich auch über ihre Nachgiebigkeit gewundert. Das war der Grund, warum ich diese 1000 Seiten schrieb: um jungen Mädchen zu zeigen, wie selbstbestimmt Frauen vor einhundert Jahren in Island lebten. Vier Jahre habe ich recherchiert und sieben Jahre daran geschrieben. Ich reiste immer wieder zu den Schauplätzen dieses Buches und es wurde immer länger (lacht).
 
In Ihren Büchern sind es häufig alleinerziehende Frauen, die eine große Rolle spielen. Hat Island eine weiblich geprägte Kultur?

Es ist wahr, es gab viele Witwen. Sie mussten „ihren Mann stehen“. Heute wirkt es, als hätten wir Gleichberechtigung. Wir hatten die erste weibliche Präsidentin der Welt. Aber eigentlich ist diese alte Gesellschaft von Jägern und Seefahrern eher patriarchalisch geprägt. Die Frauen sind nur so stark, weil sie immer so hart gearbeitet haben. Heute sind über 95 Prozent der Frauen berufstätig. Wir haben den längsten Arbeitstag in Europa und die meisten Kinder. Hier hatte man lange drei, vier Kinder und musste trotzdem Leistung am Arbeitsplatz zeigen. Sehr viele Frauen sind hoch ausgebildet. Die isländischen Frauen sind hoch ausgebildete Sklaven, sage ich immer! Sie haben außerdem immer schon die kulturelle und soziale Arbeit und die Familien organisiert. Und sie unterstützen sich auch sehr stark gegenseitig.
 
Und was machen die Männer?

Das habe ich sie auch schon gefragt: „Was macht ihr eigentlich?“ Sie machen nur MIT! Aber sie lieben ihren langen Arbeitstag, wenn sie dann nach Hause kommen, dann hat die Frau die Kinder schon erzogen. In Island ist die höchste Tugend der Fleiß. Und wer hart arbeitet, hat immer eine Entschuldigung. Aber inzwischen verändert sich das: Männer unter vierzig denken inzwischen anders.
 
Der Fleiß, den Sie erwähnen, wird anscheinend schon sehr früh verlangt. Es erschien mir grausam, wie die Mutter der Protagonistin Gunnur in Ihrem neuen Roman „Sterneneis“ ihre kleine Tochter im Sommer zum Arbeiten aufs Land schickt. Obendrein zu völlig fremden Menschen.

Ja, komisch nicht wahr? Aber das war üblich! Und sie war allein, hatte sieben Menschen an ihrem Tisch. Es war bis in die Neunziger so, dass Kinder etwa ab dem neunten Lebensjahr den ganzen Sommer auf dem Land verbrachten. Zum Arbeiten! Das sei gesund für das Kind, hieß es. Es sollte der Natur nahe sein, mit Tieren umgehen lernen. Außerdem haben wir hier drei bis vier Monate Sommerferien, aber die Eltern haben keinen Urlaub. Der Sommer ist hier die heilige Hochsaison.
 
Und heute schleppt jeder Isländer dies als Last mit sich herum?

Viele haben gute Erinnerungen an das Landleben. Den meisten ging es auch gut. Aber halt nicht allen.
 
In „Sterneneis“, das im Original „Der große Wagen“ heißt, muss Gunnur sich mit ihrer Vergangenheit und dem Schmerz darin auseinandersetzen.

Ja. Und das Buch ist eine Fortsetzung von „Karitas“, in dem Sinne, dass in „Karitas“ das Wasser eine große Rolle spielt. Das Wasser hilft ihr, sich neu zu erschaffen. Ich hätte gerne ein Buch nur über Wasser und Eis geschrieben. Aber um meine Leser nicht vor Langeweile umkommen zu lassen, schuf ich zwei Personen: Sie sind in den Rollen des Wassers und des Eises. Das Wasser spielt eine große Rolle für uns, die wir hier oben wohnen. Man muss nur einen Blick auf die Landkarte werfen, und man weiß, was es bedeutet, hier zu leben!

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