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Jakob Arjouni

Ob die Schriftstellerei nicht ein einsames Geschäft sei? Dem mag Arjouni nicht uneingeschränkt zustimmen: „Wenn ich über Eddy schreibe, bin ich ja nicht allein, der ist bei mir am Schreibtisch, oder auch wenn ich spazieren gehe. Dann unterhalte ich mich mit ihm. Das ist schon eine ganz eigene Welt.“ Außerdem, so Arjouni, habe er sogar mit dem Schreiben begonnen, um weniger einsam zu sein. Damals, gerade 19 Jahre alt, lebte Arjouni in Südfrankreich, wo er Literatur studieren und Sprachkurse belegen wollte, stattdessen aber jobbte und die Figur erfand, die ihm die Tür in den Literaturbetrieb öffnete: Kemal Kayankaya, seines Zeichens Privatdetektiv, mit türkischem Namen, südländischem Aussehen, deutschen Adoptiveltern. Ein Frankfurter durch und durch.

Warum gerade Frankfurt? „Ich habe mir das nicht ausgesucht. Als ich angefangen habe zu schreiben, war Frankfurt die einzige Stadt, die ich kannte – oder die ich zu kennen meinte. Da bin ich geboren. Und jetzt war ich in Montpellier, beherrschte die Sprache nicht und kannte niemand. Und obwohl ich Montpellier sehr mochte, war ich sehr einsam und habe mich nach Frankfurt gesehnt. Also habe ich mir ein Frankfurt erfunden, das in die Schublade passt. Aber würde ich aus Paderborn stammen, dann wäre es Paderborn geworden.“ So einfach ist das.

Überhaupt ist Jakob Arjouni kein Reißbrettschreiber, kein Autor, der nach festem Plan oder Schema arbeitet, der seine Geschichten mit dem Zirkel absteckt. Er bezeichnet sich als ein „sehr instinktiver Schreiber“. „Ich hab‘ den Anfang, klar. Und ich glaube, das Ende zu kennen. Aber wie ich dahin komme? Keine Ahnung. Es ist so wie ein Gang durch einen runden Tunnel: Ich sehe immer nur den nächsten halben Meter vor mir. Alles, was dann kommt, muss ich mir selbst erfinden. Eigentlich weiß ich am Abend nicht, was am nächsten Morgen passieren wird und wohin die Figur mich bringt.“ Die Figuren entwickelten ein Eigenleben, denn „wenn ich mit Eddy beginne, dann ist mit Eddy nach zehn Seiten nur noch das zu machen, was mit Eddy eben zu machen ist, und nicht das, was sich der Autor ausdenkt“.

Und es kann auch vorkommen, dass eine Figur wieder aus der Versenkung auftaucht, bei Arjouni vorbeischaut, eine Geschichte mitbringt und ihr Leben für die Länge eines Buches zurückfordert. So geschehen mit Kemal Kayankaya, der nach zehn Jahren Abwesenheit vor Arjounis innerem Auge erschien und verlangte, über den Bürgerkrieg in Jugoslawien zu sprechen. Mit dem Ergebnis, dass mit „Kismet“ (2001) nach „Happy Birthday, Türke!“ (1985), „Mehr Bier“ (1987) und „Ein Mann, ein Mord“ (1991) wieder einmal ein Kayankaya-Krimi erschien. Derzeit rechnet Arjouni allerdings mit keinem Besuch seines Frankfurter Kult-Detektivs: „Wenn Kayankaya noch mal vorbeikommt, freue ich mich, wenn nicht, kann ich das auch nicht ändern.“ Vor allem aber müsste Kayankaya sich entwickeln, denn „sonst würde ich immer dasselbe Buch schreiben, und das würde mich als erster meiner Leser einfach langweilen“.

Auch der Rahmen des Kriminalromans wurde Arjouni mit der Zeit zu eng. „Nach meiner konservativen Auffassung von einem Krimi geschieht am Anfang ein Mord, und am Ende steht ein Täter, mit dem man nicht gerechnet hat. Alles andere ist eine Geschichte, in der ein Verbrechen geschieht, aber kein Krimi – sonst wäre die Bibel auch ein Krimi.“ Also wandte sich Arjouni mit „Chez Max“ (2006) dem Genre der (Anti-)Utopie oder mit „Der heilige Eddy“ (2009) dem Schelmenroman zu und ließ den Kriminalroman hinter sich – obgleich in beiden Geschichten auch Verbrechen geschehen und Menschen gewaltsam zu Tode kommen. Im Vordergrund steht aber nicht die Aufklärung des Falles, sondern der eigenwillige Charakter des Täters.

Schreibt Arjouni womöglich nur über sich selbst? „Ich bin sicher, in jeder Figur steckt auch etwas von mir. Aber wie das Mischverhältnis ist und wie viel und was genau von mir da drin ist, das weiß ich nicht und darüber denke ich auch nicht nach.“ Warum auch. Schließlich ist jede Figur am Ende nur sie selbst.

 

Zitate:

„Man erzählt mir, ich sei ein guter Vorleser.“

„Eine Lesung ist eine Mischung aus Theaterstück und abends um 23 Uhr am Tresen stehen.“

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