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Hörspielaufnahmen mit Kindern

Mit geröteten Wangen toben die zwölf jungen Talente sockfuß durch Flur und Küche. Jetzt herrscht wirklich Kindergeburtstagsstimmung, und das disziplinierte Arbeiten von eben weicht kindlicher Ausgelassenheit. „Es ist so heiß da drin“, stöhnt der achtjährige Sammy, klettert auf den Barhocker und schiebt sich ein Stück Schokolade in den Mund.

Auch die anderen Jungen und Mädchen fallen über die Süßigkeiten her. „Mit Naschkram bekommt man die Kids in den Griff“, verrät Gustavus augenzwinkernd. „Das Ganze darf nicht zu sehr in Arbeit ausarten und soll für die Kinder so angenehm wie möglich gestaltet werden.“ Es ist eine besondere Herausforderung für ihn, die Gruppe einen ganzen Nachmittag lang bei Laune zu halten und sie dazu zu bringen, konzentriert mitzumachen. „Zuckerbrot und Peitsche – das ist das Geheimnis“, sagt er lachend.

  • Der Dompteur und seine wilde Meute: Regisseur Frank Gustavus macht den Kindern im Studio vor, wie sie Emotionen vor dem Mikrofon für die Pippi-Hörspiele so richtig ausleben dürfen.

Nach der Pause geht es zügig weiter. „Jetzt brauche ich Kinderjubeln: Stellt euch einfach vor, dass ihr ganz viele Bonbons und ganz viel Geld bekommt“, leitet der Regisseur die nächste Aufnahme ein. Intuitiv reißen die Kinder euphorisch die Arme in die Luft, umarmen sich und jauchzen vor Freude. Erneut gibt der Regisseur ein Handzeichen und ruft: „Das war spitze, ihr seid ja richtige Profis!“ Immer wieder beschreibt er der Gruppe kurze Szenen aus den Pippi-Langstrumpf-Folgen, sodass Bilder in den Köpfen der Kinder entstehen.

Spontan und ohne Hemmungen setzen sie das Gewünschte um. Unterstützt werden sie dabei von seiner Frau, die Fragen beantwortet und eventuelle Unsicherheiten aus dem Weg räumt. „Ich bin nach wie vor erstaunt darüber, wie schnell die Kinder begreifen, was wir von ihnen wollen“, sagt sie. Auch Tonmeister Alexander Rieß, der als Herr über unzählige Knöpfe und Regler für ein ausgewogenes Klangbild sorgt, ist von der Unbefangenheit der Kinder beeindruckt: „Sie trauen sich mehr als Erwachsene und klingen authentischer.“

Um die Jungen und Mädchen anzuspornen, verfällt Frank Gustavus nach jeder Aufnahme in regelrechte Lobeshymnen. Auch wenn es mal nicht perfekt klappt – die kleinen Pippi-Fans sollen sich weder gestresst fühlen noch enttäuscht nach Hause gehen. Damit alle am Ball bleiben, hebt der Regisseur fast durchgängig den Arm und gibt den Kindern deutlich sichtbare Handzeichen. „So können sie Start und Ende der Aufnahme nicht verpassen“, erklärt er.

Wie ein Dirigent leitet er die Gruppe an, die ihm bereitwillig folgt. Mit Geduld und guter Laune arbeitet sich Gustavus durch die mit Notizen übersäten Drehbücher und legt regelmäßig kurze Pausen ein. Trotz der Anstrengung und der stickigen Luft in der Regie gelingt es ihm, eine entspannte Stimmung zu verbreiten. „Mit dem Hörspielmachen habe ich meinen Traumberuf gefunden“, ist sich der gebürtige Duisburger sicher.

Vor knapp zehn Jahren begann er seine Karriere als Autor, Regisseur und Produzent von „Jack the Ripper“ unter seinem eigenen Label „Ripper Records“. Neben vielen Produktionen für Erwachsene arbeitet Gustavus seit vier Jahren vermehrt im Kinderhörbuch-Genre. „Ich war schon immer ein großer Kinderbuchfan und liebe Lindgren, Kästner und Preußler“, berichtet er.

Auf gut Glück habe er sich bei Oetinger audio beworben – mit Erfolg. Sein erster Auftrag: Die Erstellung eines Hörspiel-Manuskripts zum Buch „Das geheime Olchi-Experiment“ von Erhard Dietl. Nach etlichen Kinder- und Jugend-Hörbuchprojekten fiel dann vor anderthalb Jahren der Startschuss zur sechsteiligen Neuproduktion des Kinder-Hörspielklassikers Pippi Langstrumpf. „Die Arbeit mit Kindern gefällt mir, weil sie begeisterungsfähig sind und keine Allüren haben.“

  • Mit Naschis werden die Jungsprecher im Studio bei Laune gehalten …

Inzwischen sind einige Mütter und Väter eingetroffen, haben auf den schwarzen Ledersofas im Regieraum Platz genommen und beobachten gespannt ihre Sprösslinge. Mit dabei auch Rainer und Tanja Müller, gute Bekannte von Frank Gustavus. Neben Sammy wurden auch ihre beiden anderen Kinder, der elfjährige Cedric und die 14-Jährige Rebecca, als Nachwuchssprecher für die Pippi-Hörspiele engagiert. „Cedric hat sogar einen kleinen Solopart“, erzählt Rainer Müller stolz. Doch erst sind die letzten Gruppenaufnahmen dran.

„Jetzt brauche ich Essgeräusche“, verkündet der Regisseur. „Dafür müsst ihr einfach vor dem Mikrofon futtern wie der Kleine Onkel.“ Das lassen sich die Kids nicht zweimal sagen: Vergnügt greifen sie nach den bereit gelegten Süßigkeiten, befördern sie sich in den Mund und beginnen, lautstark zu mampfen. Die Erwachsenen brechen in schallendes Gelächter aus. „Ganz große klasse!“, urteilt Gustavus. Nach rund drei Stunden sind alle Hintergrundszenen auf Band, und die meisten Kinder dürfen – begleitet von Applaus – den Aufnahmeraum verlassen. Nur Cedric und die zwölfjährige Karla haben jetzt noch ihren großen Moment: Sie sprechen die Taka-Tuka-Kinder Momo und Moana. Für Cedric ist es sogar sein Solo-Debüt, doch beide Jungsprecher meistern die Einzelaufnahmen mit Bravur.

„Das ist wohl die Ruhe nach dem Sturm“, bemerkt Frank Gustavus erschöpft, aber zufrieden, als auch das letzte Kind wieder im Auto nach Klein Offenseth-Sparrieshoop sitzt. Übrig geblieben sind von diesem Tonstudio-Nachmittag leere Bonbontüten, eine vergessene Kinderjacke und natürlich die Vorfreude auf die neuen Pippi-Langstrumpf-Folgen.

 

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