lit.COLOGNE 2013: Nuhr gelesen
Kabarettist Dieter Nuhr stelle am Donnerstagabend im Kölner Musical Dome sein neues Buch „Das Geheimnis des perfekten Tages“ vor. Das Geheimnis einer perfekten Lesung hat er damit nicht gelüftet.
Von Melanie Schippling
Die Bühne ist leer bis auf ein lit.COLOGNE-Banner, einen Barhocker und -tisch. Dieter Nuhr kommt ohne Anmoderation und Gesprächspartner aus. Er betritt die Bühne, begrüßt seine Gäste, bekundet, er habe das Buch vor vier Monaten abgegeben und wisse jetzt nicht mehr so recht, was drin stünde, aber er beginne jetzt mal mit dem Lesen. Kurz und knapp, schon geht es los. Am Anfang des Buches natürlich – denn der Autor hat sich offenbar keine besonderen Stellen für diese Lesung ausgesucht. Ab und zu springt er, aber er wisse nicht, ob das für die Hörer noch einen Sinn ergebe. Egal. Das Buch beschreibt einen Tagesablauf, den perfekten Tagesablauf. Der Protagonist, ein Ich-Erzähler, hat frei und ist den Tag über damit beschäftigt, nachzudenken. Mal im Halbschlaf, mal im Wachtraum sinniert er über sprechende Lebensmittel, willkürliche Statistiken, die negativ eingestellte Medienwelt und vieles mehr, was die Menschen im Alltag umgibt. Intelligente wie flache Pointen sind vorhanden, lachen kann man also durchaus, das tut das Publikum auch im Minutentakt. Aber wer einmal bei den Live-Programmen des Kabarettisten war, der weiß: Dieter Nuhr kann auch lebendiger. Bei der Lesung fehlen fast gänzlich die Gesten, die für Komiker so wichtige Mimik, der Augenkontakt zum Publikum. Bis auf wenige Augenblicke, in denen er sich selbst ein Grinsen nicht verkneifen kann, bleibt sein Gesicht regungslos, an diesem Abend liest er nur ab. Und das mit einer beträchtlichen Geschwindigkeit. Ab und an schaut er auf die Uhr, spricht irgendwann das Publikum an: „Man hat mir gesagt, 60 bis 90 Minuten, in dem Zeitfenster wären wir jetzt. Sie müssen sagen, wenn Sie gehen wollen. Ich lese aber gern noch weiter.“ Ob das lustig sein sollte oder er unsicher ist mit dieser Form von Bühnenauftritt, weiß nur er selbst. Eine Besucherin ruft ihm zu, er solle langsamer lesen, sie würde dafür auch länger bleiben. Also liest er noch ein bisschen weiter: „Rufen Sie mir doch eine Seitenzahl zu, dann fange ich da an.“ Ein bisschen mehr Konzept hätte dem Abend nicht geschadet.V