Ausgeliefert
BILDER UND WELTEN
Informationen: , 16 €
Verlag: Reprodukt
Rezension
"Ich musste diese Geschichte erzählen", antwortete Geneviève Castrée auf die Frage, warum sie mit nur 32 Jahren ihre Autobiografie veröffentlicht. "In allen anderen Geschichten, die ich erzählt habe, steckte eigentlich diese. Ich hatte das Gefühl, ich muss mich befreien, damit ich irgendwann von etwas anderem erzählen kann." Castrées Kindheit ist kompliziert. Ihre Erwachsenen sind nicht grausam, zumindest nicht mit Vorsatz. Sie sind einfach sehr, sehr unaufmerksam und ziemlich rücksichtslos. Der Vater investiert das Monatsbudget der Familie lieber in Motorradteile als in Essen und zieht, als die Mutter ihn verlässt, mit seiner Sammlung alter Autos in den Wald. Die Mutter, die schon die Grundschülerin nicht wie eine Tochter, sondern eher wie eine Freundin behandelt, mit der sie streiten und betrunken herumalbern kann. Der neue Freund der Mutter, der sinnlose Regeln aufstellt und in der kleinen Goglu (wie ihre Mutter sie nennt) eine Konkurrentin sieht. Und inmitten des Chaos ein Kind, das ohnehin anders ist, altklug, eloquent und ernst, unter Gleichaltrigen eine Außenseiterin. Die beste Lösung ist, sich herauszuhalten, im eigenen Zimmer zu bleiben, zu zeichnen und zu basteln, Superhelden-Comics zu lesen. Bis die Erwachsenen wieder spielen wollen.
Der Strich wirkt kindlich, die Winkel, Perspektiven und Proportionen ungelenk, das Lettering verwendet Grundschulschreibschrift: Castrée packt den Leser am Arm und zwingt ihn zum Blick über Goglus Schulter. Das ist nötig, weil die tiefe Unsicherheit, die dieses Kind erfährt, nicht aus offensichtlichen Misshandlungen entsteht, sondern aus einer Reihe von Unachtsamkeiten, deren jede für sich verzeihlich erscheint. Sie möchte, dass dieses Kind verstanden wird, und das gelingt.
Kurzbeschreibung
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