Der Traum von Olympia
BILDER UND WELTEN
Informationen: , 17.9 €
Verlag: Carlsen
Rezension
Samia Yusuf Omar war 17, als sie Somalia bei den Olympischen Spielen in Peking vertrat. Ausgezehrt und in einem zu weiten T-Shirt erreichte sie das Ziel rund zehn Sekunden später als alle anderen Teilnehmerinnen, aber unter dem Jubel der Zuschauer. Zurück in Mogadischu erhielt sie Morddrohungen, weil sie dabei keinen Hidschâb getragen hatte. Samias Familie ist arm, ihren Vater hat die Al-Shabaab-Miliz vor Jahren erschossen. Fest entschlossen, Profisportlerin zu werden und rechtzeitig zur nächsten Olympiade in London zu sein, schlägt sie sich nach Libyen durch und erkämpft sich einen Platz in einem Schlauchboot. Reinhard Kleists Strich lässt seine Figuren so lebendig erscheinen, dass es schmerzt. Die Dialoge und Facebook-Einträge, die uns während Samias Odyssee etwas Orientierung ermöglichen, sind nicht aufregend. Alles drückt sich über die Haltung, den Gang, den Blick seiner Hauptfigur aus. Aus dem wütenden, willensstarken, fröhlichen Mädchen, das seine Geschwister mit Madonna in den Schlaf singt, wird eine erschöpfte Frau, aufrecht gehalten allein von einem Traum und der Notwendigkeit, zu entkommen. Samia Yusuf Omar ertrank im April 2012 vor Malta. Er hoffe, schreibt Reinhard Kleist im Vorwort, "dass ihre Geschichte dazu beiträgt, unser Bewusstsein dafür wachzuhalten, dass sich hinter den Randnotizen der Medien zur Flüchtlingspolitik Schicksale und hinter den abstrakten Zahlen Menschenleben verbergen."
(ed)