Das wahre Wesen der Dinge

"Sie stehen vor einer schweren Entscheidung… Warnung. Diesen Text bitte aufmerksam lesen." Dieser Appell steht vor "Was von uns erwartet wird", einer Auseinandersetzung mit dem Problem des freien Willens, dessen Existenz seit Libets Untersuchungen als unwahrscheinlich gilt. Die Warnung betrifft das ganze Buch. Jede der acht Erzählungen ist ein Gedankenexperiment, sorgfältig aufgebaut, präzise ausgeführt.

Der Protagonist von "Verstehen" erleidet durch einen Unfall einen schweren Hirnschaden und wird mit einem Medikament behandelt, das seine geistige Leistungsfähigkeit ins Übermenschliche steigert. Er denkt wie im Rausch, erkennt komplexeste Strukturen, fühlt unermesslich nuanciert und entwickelt ungeahnte Fähigkeiten. Was aber passiert, wenn ein solcher Mensch auf einen ihm Ebenbürtigen trifft, dazu einen, dessen Weltanschauung der seinen entgegensteht? In "Die Wahrheit vor Augen" versucht man die Bevorzugung der Gutaussehenden zu unterbinden, indem man durch eine Manipulation des Gehirns die Wahrnehmung von Schönheit verhindert. Der Autor verhandelt die Aspekte dieses Vorschlags in einer glaubwürdigen und vielstimmigen Diskussion. "Das wahre Wesen der Dinge" ist kein sinnliches, aber ein intellektuelles Vergnügen. Als solches entwickelt es Langzeitwirkung: Noch Tage später kehren Chiangs Texte zurück und stellen Fragen.

(ed)

Der Grafiker Leon erwacht nach einem Unfall, und nichts ist, wie es vorher war: Von Albträumen geplagt, muss er erkennen, dass die Ärzte ein neuartiges Medikament erprobt haben, um sein beschädigtes Gehirn zu retten - für Leon beginnt eine Reise über alle Grenzen menschlicher Erfahrung hinaus. Die Tierpflegerin Ana erhält einen ungewöhnlichen Auftrag: Sie soll digitale Wesen, die über Bewusstsein und Empfindungen verfügen, als Erzieherin betreuen. Zunächst sind die Menschen entzückt von den süßen »Digis«, doch dann stellt ihre Existenz die Menschen vor immer komplexere Fragen. Ein Knopf und ein Lämpchen - aus nicht viel mehr besteht das neue technische Spielzeug. Doch wer den Knopf drückt, für den gerät die Welt aus den Fugen. Denn nichts ist so tödlich wie ein Gedanke, den es eigentlich nicht geben dürfte ... Mit seinen Geschichten eröffnet uns Ted Chiang Welten, die in ihrer Konsequenz verblüffend neu und zutiefst beunruhigend sind. Was passiert, wenn die Logik uns im Stich lässt? Wenn Schönheit nichts mehr bedeutet? Sind nichtmenschliche Gefühle weniger wert als menschliche? Nach Die Hölle ist die Abwesenheit Gottes macht der zweite Storyband des vielfach preisgekrönten US-amerikanischen Autors weitere Kostbarkeiten der SF endlich auch deutschen Lesern zugänglich.