Das wirkliche Leben
ERZÄHLUNGEN UND ROMANE
Informationen: , 18 €
Verlag: dtv - Deutscher Taschenbuch Verlag
Rezension
Gleich zu Beginn des Buches teilt die anfangs zehnjährige und zunächst namenlose Erzählerin mit, in ihrem Haus gebe es ein „Zimmer der Kadaver“, es ist gefüllt mit ausgestopften Tieren, Jagdtrophäen ihres Vaters. Dieser, selbst einer Hyäne gleich, schlägt und quält die Mutter, eine Amöbe ohne eigenen Antrieb. Doch damit nicht genug: Ihr kleiner Bruder und sie müssen einen schrecklichen Unfall mitansehen. Beim Sahneschütteln wird dem Eisverkäufer das Gesicht zertrümmert. So viel Brutalität. Und so viel Schönheit. In dem Debütroman der Französin Dieudonné geht beides Hand in Hand. Unter dem Dach des gewalttätigen Vaters, mit einem Bruder, der seit dem Unfall mehr und mehr in dessen sadistische Fußstapfen steigt, erfindet die Erzählerin sprachgewaltig eine Welt der Wunder. Sie will eine Maschine bauen, mit der sie ihren Bruder in die Zeit vor dem Eismann-Unfall zurückbringt, um das „Geschmeiß“ in seinem Kopf zum Verschwinden zu bringen. Sie verliebt sich, natürlich in den Falschen. Sie wird zur jungen Frau und genau deshalb gehetzt und gequält. Und derweil findet sie Worte voller Hoffnung, als trage sie das Gegenteil des Dunklen in sich, das ihren Bruder zu fressen beginnt. Das Licht, das sie schließlich in den Kampf führt. Eine atemlose, zu Tränen rührende Geschichte.
(md)