Der USB-Stick
ERZÄHLUNGEN UND ROMANE
Informationen: , 22 €
Verlag: Frankfurter Verlagsanstalt
Rezension
Der neue Roman des Brüsseler Autors Jean-Philippe Toussaint rückt die Macht der Cyber-Technologien in den Brennpunkt. Jean Detrez ist in der (geo-)strategischen Zukunftsforschung der EU-Kommission tätig. Als Blockchain-Experte gerät er ins Visier von Lobbyisten des Kryptowährungsgeschäfts. Diese agieren für einen chinesischen Hersteller von Bitcoin-Mining-Maschinen („Goldschürfen“ durch Bitcoin-Vermehrung). Chinas Technologie soll in Europa zum Einsatz kommen. Detrez bleibt auf Distanz (geradezu leitmotivisch betrachtet er die Welt durch ein Fenster). Doch dann findet er einen USB-Stick mit brisantem Inhalt: In besagte Maschinen soll eine Backdoor eingebaut sein, also Hacker-Software. Der EU-Beamte will es wissen. Als ihn eine Dienstreise nach Tokio führt, macht er einen Umweg über China. Undurchsichtige Systeme bergen viel romaneskes Potenzial. Toussaint schöpft es raffiniert aus: Mit Elementen des Spionagethrillers, Tiefsinn und Lust an der Metapher zeichnet er eine von Technik und Gier gesteuerte Welt, in der der Held sich zu verlieren droht. Als „wahre Katastrophe“ erlebt Detrez aber nicht sein Asien-Abenteuer, sondern den Tod des Vaters. Toussaint fasst den Epilog als autobiografisch grundierte Totenrede. Welch schönes, poetisches Memento mori.
(wal)