Die Wahnsinnige
ERZÄHLUNGEN UND ROMANE
Informationen: , 20 €
Verlag: Dumont
Rezension
Was war Wahnsinn in einer Zeit, als Tausende auf den Scheiterhaufen der spanischen Inquisition verbrannt wurden? Als Frauen zwar Herrscherinnen werden konnten, aber um den Preis des Verzichts auf jegliches Eigenleben? Alexa Hennig von Lange erzählt von einer Frau, die nie Königin werden wollte und ihre letzten 46 Lebensjahre gefangen gehalten wurde. Johanna von Kastilien galt früh als wahnsinnig und wurde von ihrer Mutter eingeschlossen, weil sie Beichte und Gebet verweigerte und gegen die Untreue ihres Mannes wütete. Die Autorin verdichtet ihre Geschichte zum stimmigen Bild einer Frau, deren Wünsche und Gefühle wir unmittelbar verstehen. Sie zeigt, wie die junge Thronfolgerin sich zunächst die Rückkehr zu Mann und Kindern nach Flandern erkämpft und die neuerliche Enttäuschung über ihre Ehe geschickter als zuvor verbirgt. Als ihr Mann, Philipp der Schöne von Burgund, als spanischer König stirbt, ist sie noch keine 30 Jahre alt, Mutter von sechs Kindern, verdammt zur Regentschaft und damit auch dazu, gefangen zu sein, jetzt von ihrem Sohn. Ihren „Wahnsinn“ als Aufbegehren gegen patriarchale Konventionen und intrigante Netzwerke darzustellen, erweist sich als kluger Kunstgriff, durch den Blick in eine ferne Zeit der Gegenwart einen Spiegel vorzuhalten.
(lk)