Flechten
ERZÄHLUNGEN UND ROMANE
Informationen: , 21 €
Verlag: Dörlemann
Rezension
Wie findet man heraus, wer man ist, wenn man immer zu zweit war? Wenn das eigene Sein so eng mit dem eines anderen verbunden ist, dass dieser wie dein Spiegelbild ist? Anna ist ein eineiiger Zwilling und das Verhältnis zu ihrer Schwester Leta ist alles andere als einfach. Während sie ihren Beruf als Flechtenforscherin nutzt, um sich durch ihn in den nüchternen Raum der Wissenschaft zurückzuziehen, forscht Leta auf einem anderen Gebiet. Es scheint seit ihrer Kindheit, die die beiden Schwestern erst in Amerika, dann in einem kleinen Schweizer Dorf miteinander verbracht haben, beinahe eine Obsession für sie zu sein, die eigene Schwester zu fotografieren. Die Schweizer Autorin Barbara Schibli hat in ihrem Debütroman starke Bilder für eine zutiefst symbiotische Beziehung gefunden. Die Verzweiflung der Protagonistin ist greifbar. Man spürt die Enge ihres Lebens, den winzigen Raum, den sie für sich ganz allein hat, und dessen Grenzen die Schwester dennoch zu überschreiten versucht. Man spürt auch ihre Einsamkeit. Weil sie sich so harsch abgrenzt, fällt es ihr schwer, nahe Beziehungen zu anderen Menschen einzugehen. Die Lektüre des Romans ist eine Wanderung durch ihre weitläufigen Innenwelten, angereichert mit atmosphärischen Bildern der Außenwelt. Leise erzählt und abgründig.
(man)