Kanalschwimmer
ERZÄHLUNGEN UND ROMANE
Informationen: , 20 €
Verlag: mare
Rezension
Schwimmen ist literaturfähig, und dies nicht erst seit John von Düffel. Leander durchschwamm allnächtlich den Hellespont, um Hero in die Arme zu schließen. Kühnheit am Rande der Hybris – das ließ die Götter zürnen. Die antike Sage zog Generationen von Künstlern in den Bann. 1875 rückte dann der Ärmelkanal ins Visier der Hardcore-Schwimmer. Eine Kraftprobe für Körper und Geist, der sich nun auch Ulrike Draesners Romanheld Charles stellt. Der 62-jährige Biochemiker bangt um seine Ehe und sucht Klarheit durch Verausgabung: Strebt seine Frau Maude ernsthaft eine Ménage-à-trois an, mit Silas, seinem einstigen Freund und Konkurrenten? Alte Liebeswirren kommen hoch. Und Charles taucht ab – in die eisigen Fluten der gefährlichen Schiffsautobahn. Überwacht von einem Begleitboot kämpft er gegen elementare Gewalten, Zivilisationsmüll und physische Grenzen, gegen Sehnsüchte und Lebenslügen. Ulrike Draesner erzählt von existentieller Grenzerfahrung und dem Schmerz der Desillusion. Im steten Abgleich von Meereslaunen und Körperqualen, Erinnerungen und Trugbildern setzt sie ihren Helden einer übermächtigen Drift aus, hinab in sein innerstes Dunkel, hin zu erlösenden Ufern. Ein poetisches Psychogramm, eine großartige Parabel auf die so wechselhafte Lebensreise.
(wal)