Kinder
ERZÄHLUNGEN UND ROMANE
Informationen: , 24 €
Verlag: Residenz
Rezension
"Meine Gedanken wirbeln auf und setzen sich wieder, in leicht veränderter Anordnung." Als LeserIn folgt man Navids Gedankenströmen und rekonstruiert so praktisch aus seinem Kopf heraus seine aktuelle Situation und sein Leben als Lehrer in Wien. Er beendet an einem schwülen Sommertag den Unterricht vorzeitig, seine Schwindelgefühle an diesem Tag zwingen ihn immer wieder zum Innehalten. Sein Ziel ist ein Familienfest bei seiner Tochter Martha. Auf dem Weg dorthin bricht er zusammen, die nächste Station ist ein Arzt, danach treibt er zunehmend orientierungslos durch die Stadt und die Zeit. Erinnerungen an seine verschwundene Frau Sara überwältigen ihn und auch der Nachbarsjunge Ismail, der aufgehört hat zu sprechen, lässt ihn nicht los. Navids Gedanken gelten vor allem den Kindern, wobei er zunehmend die gesamte Menschheit als Kinder im Trotzalter sieht. Satu Taskinen gelingt mit diesem Roman das faszinierende Experiment, die Gedankenwelt ihres Ich-Erzählers in all seinen ungefilterten Facetten darzustellen. Das ist mitunter anstrengend, weil auf diese Art eine stringente Erzählweise unmöglich wird - aber eben auch eine empathische Höchstleistung. Und unglaublich inspirierend, denn Navid hat nicht nur existenzielle Sorgen, sondern auch existenzielle Erkenntnisse.
(ts)