Nikotin
ERZÄHLUNGEN UND ROMANE
Informationen: , 22.95 €
Verlag: Rowohlt
Rezension
Nikotin macht süchtig, wenn man es von Nell Zink schnorren kann erst recht. Ihr neues Buch möchte man in einem Zug inhalieren - es ist köstlich-kratzig und so rasant, dass es einen fast schon schwindelt. Dass sie sich in der Hausbesetzerszene auskennt, weiß man aus der Biografie der 53-Jährigen, die mit ihrem "Mauerläufer"-Debüt 2016 zum Shootingstar wurde. Doch dass sie die linke Szene in New Jersey kennt, hält sie natürlich nicht davon ab, überall dort hinzuschreiben, wo es wehtut und wenn auch manchmal nur vor Lachen. Denn Penny Bakers Geschichte ist so absurd wie eine amerikanische Sitcom: Nachdem sie ihren Schamanen-Vater in den Tod begleitet hat, stürzt sich die arbeitslose 23-Jährige ins Hausbesetzer-Leben der Nicotine-WG. Verknallt in den asexuellen Rob und fasziniert von der kühnen Jazz, lässt sie sich treiben von Suppenküchen zu Politdemos - bis ihr Halbbruder Matt auftaucht, um das "Nicotine" zu räumen. Je wahnwitziger die Wendungen werden, desto größer wird der Sog dieser Satire. Denn es sind Zinks außerordentliche Beobachtungsgabe und ihr hintersinniger Humor, die in diese überdrehten Storys einen doppelten Boden einbauen, der es in sich hat. Es geht um Freiheit, Liebe und bezahlbaren Wohnraum - und das sind Sehnsüchte, die nicht nur Anarchisten auf die Barrikaden treiben sollten.
(ts)