Ruth Tannenbaum
ERZÄHLUNGEN UND ROMANE
Informationen: , 26 €
Verlag: Schöffling & Co.
Rezension
Als Ruth Tannenbaum Ende der 1920er-Jahre in Zagreb geboren wird, hat die Nachbarin kürzlich ihren kleinen Sohn verloren. Trotz Vorbehalten vertrauen Ruths Eltern ihr von Zeit zu Zeit das eigene Kind an. Hier darf Ruth tun, was zu Hause verboten ist, denn die Nachbarin ignoriert voller Neid die Anweisungen der Mutter und nimmt Ruth später mit zu einem Vorsprechen im Nationaltheater. Schon bald ist das Publikum hundertfach verzaubert von ihren großen Augen, Ruth wird zu einem gefeierten Kinderstar. Während ihr ängstlicher Vater zuvor versuchte, seine jüdische Herkunft zu verbergen, schöpft die Familie nun Hoffnung, in der Zagreber Gesellschaft mehr Akzeptanz zu finden. Orientalisch, manchmal fabulierend wirkt diese Erzählung, die den langen Hergang vor diesen Ereignissen aufzeigt. Gleichsam tritt so die Gewissheit umso deutlicher vor, dass nichts sicher ist: Der Leser benötigt die prophetischen Warnungen von Ruths Großvater vor dem sich anbahnenden Nationalsozialismus nicht, um vorauszuahnen, wie die Geschichte enden wird. Spannend ist nicht die Handlung an sich, sondern die Entwicklung der Figuren, bevor um sich greifende Angst sie verändert. Jergovi? analysiert Zabgrebs Einwohner scharfsinnig und zeichnet ein üppiges Gesellschaftsporträt voll Missgunst und Furcht.
(mel)