Es ist mutig, das eigene Leben zur Grundlage eines Romans zu machen, in diesem Fall geradezu trotzig. Hier schreibt jemand, der weiß, dass Schweigen giftig sein kann. Michel Laub, Jude und Enkel eines Holocaust-Überlebenden, sortiert das Leid seiner Familie in kurze, nummerierte Absätze, als sei es so leichter zu verstehen. Der Großvater schreibt an "einer Art Traktat über die Welt, wie sie sein sollte" und begeht Suizid, als sein Sohn 14 ist. Dieser vertieft sich in die Bücher Primo Levis und macht seinem Sohn beständig die Gefahren des Jüdischseins bewusst. Der entwickelt mit 14 ein schweres Alkoholproblem. Laub schafft emotionale Nähe, indem er Distanz wahrt.
(ed)
Roman aus der Perspektive der Kriegsenkel:
Eindrücklich schildert der Brasilianer Michel Laub, wie die Folgen des KZ-Traumas Großvater, Vater und den Erzähler selbst prägen. Aber haben wirklich alle Sündenfälle mit der Vergangenheit zu tun? Für welche ist man selbst verantwortlich? Laub hat diese Fragen zu einer hochvirtuosen Etüde über die Kraft des Erinnerns verwebt.
Über die Zeit im Konzentrationslager Auschwitz hat sein Großvater nie gesprochen. Und auch nicht über seine Gründe, in Brasilien ein neues Leben zu beginnen. Stattdessen hat er sich eingeschlossen, um die Welt so zu beschreiben, wie sie hätte aussehen können. Bis er sich eines Tages umgebracht hat. Wie ein Fluch zieht sich das Nichterinnernkönnen durch die Familie, denn der Sohn erkrankt an Alzheimer. Erst dem Enkel, dem Tagebuchschreiber, gelingt es nach einer Lebenskrise, aus dem Nebel des Ungesagten herauszufinden. Michel Laub schildert in seinem fulminanten Roman den Sturz dreier Generationen einer Familie. Und führt dem Leser damit eindringlich vor Augen, wie sehr unsere Wurzeln und Erinnerungen uns bestimmen.