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Christoph Hein

Weiskerns Nachlass

ERZÄHLUNGEN UND ROMANE

Informationen: , 24.9 €

Verlag: Suhrkamp

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Redaktion

Leser

Rezension

Gleich vorab: Mit Rüdiger Stolzenburg ist Christoph Hein eine Figur gelungen, die viele Gesellschaftsbeschreibungen des beginnenden 21. Jahrhunderts überflüssig macht. Stolzenburg, desillusionierter Forscher und Hochschullehrer, ist, obwohl bereits am Ende seiner Laufbahn, Teil des akademischen Prekariats. Das liegt einerseits an seiner sympathisch romantischen Vorstellung seines Berufs, die ihn an Projekten arbeiten lässt, die alles andere als finanziell gewinnträchtig sind. Andererseits aber auch an seiner Unfähigkeit, sich und sein Leben zu organisieren, die dem Leser bisweilen die Zornesröte ins Gesicht treibt. Hein bleibt seinem Protagonisten gegenüber in seiner bekannt lakonischen Sprache neutral und schafft so eine am Individuum demonstrierte Gesellschaftsanalyse, die immer wieder wehtut, gleichzeitig aber beständig zum Kopfnicken animiert, weil einem so vieles bekannt vorkommt. Stolzenburgs Forschungsgegenstand, der titelgebende Mozart-Librettist Weiskern, steht stellvertretend für zweierlei: für den Stolz, eine erfüllende Aufgabe im Leben gefunden zu haben und für das Scheitern aller Hoffnungen, die mit dieser Aufgabe verbunden sind. Wohin diese Erkenntnis führt, lässt Hein bewusst offen, und auch das tut weh.

(ct)

Kurzbeschreibung

Rüdiger Stolzenburg, 59 Jahre alt, hat seit 15 Jahren eine halbe Stelle als Dozent an einem kulturwissenschaftlichen Institut. Seine Aufstiegschancen tendieren gegen null, mit seinem Gehalt kommt er eher schlecht als recht über die Runden. Er ist ein prototypisches Mitglied des akademischen Prekariats. Dieser »Klasse« fehlt jede Zukunftshoffnung: Die selbst gesetzten Maßstäbe an die universitäre Lehre lassen sich nicht aufrecht erhalten; die eigene Forschung führt zu keinem greifbaren Resultat. Für das Spezialgebiet des Rüdiger Stolzenburg, den im 18. Jahrhundert in Wien lebenden Schauspieler, Librettisten Mozarts und Kartografen Friedrich Wilhelm Weiskern, lassen sich weder Drittmittel noch Publikationsmöglichkeiten beschaffen. Und dann gibt es große Verwicklungen. Seine Bemühungen, eine ihn ruinierende Steuernachforderung zu erfüllen, machen ihm endgültig deutlich: die Welt, die Wirtschaft, die Politik, die privaten Beziehungen – alles ist prekär. Sie zerbrechen, sie setzen Gewalt frei, geben in großem Ausmaß den Schein für Sein aus. Christoph Hein hat mit Rüdiger Stolzenburg eine Figur geschaffen, in der sich prototypisch die Gefährdungen unserer Gesellschaft und unserer Zivilisation am Ende des ersten Jahrzehnts des dritten Jahrtausends spiegeln. Christoph Hein ist damit der aktuelle, realistische, literarisch durchgeformte Gesellschaftsroman gelungen.


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