Das Geschlecht der Seele
SACHBÜCHER
Informationen: , 25 €
Verlag: Hanser
Rezension
Wo sonst wäre das Experimentierfeld für neue gesellschaftliche Entwicklungen, wenn nicht in der Kunst? So ist es nur folgerichtig, wenn Karin Wieland in diesem Buch den Blick auf die Weiblichkeit und ihre Repräsentationsformen anhand zweier Beispiele aus der deutschsprachigen Literaturgeschichte wirft. Sowohl Hofmannsthal als auch Brecht hätten künstlerisch ohne die im Buch betrachteten Frauen wie Gertrud Eysoldt oder Helene Weigel nicht die Schaffenshöhe erreicht, mit der sie uns bis heute im Gedächtnis geblieben sind. Wieland arbeitet die komplizierten Beziehungen zwischen den Dichtern und den weiblichen Protagonistinnen minutiös heraus. Das liest sich stellenweise etwas langatmig, besticht jedoch durch die Genauigkeit in der Darstellung. Dabei wird der riesige Schritt, den die "Erscheinung der modernen Frau" bereits in den wenigen Jahren zwischen Hofmannsthals Wiener Moderne und Brechts politischem Theater gemacht hat, sehr deutlich. Eysoldt, auch Eleonora Duse, bereiten den Weg, den Frauen wie Weigel oder Carola Neher später weiter beschreiten. Auf diesem Weg wird auch deutlich, wie viel politischer Kunst im 20. Jahrhundert wird, nicht zuletzt auch dadurch, dass sie die soziale Rolle der Frau wesentlich stärker durchdringt als in vorhergehenden Epochen.
(ct)