Amirpur stellt sechs Intellektuelle vor, die den Islam neu denken wollen - darunter zwei Frauen. Auch ohne Vorkenntnisse ist die Lektüre spannend. Zum einen wird klar, dass der Koran sich vielseitig interpretieren lässt. Zum anderen ist die Nähe zu anderen Glaubensrichtungen offensichtlich: Wie im Christentum geht es bei den Interpretationsstreitigkeiten um den Status des heiligen Buches, die Rolle der Gelehrten, das Verhältnis von Religion und Politik oder die Vereinbarkeit von Vernunft und Glaube. Der Islam ist nicht notwendigerweise rückwärtsgewandt: Das ist die wichtige Botschaft Amirpurs.
(clb)
Dem Islam wird oft nachgesagt, er habe den Anschluss an Moderne und Aufklärung verpasst – ein Irrtum, wie Katajun Amirpur in ihrem eindrucksvollen Buch zeigt. Sie stellt die einflussreichsten Erneuerer des Islams vor, die sich für Demokratie und Menschenrechte einsetzen und dabei immer mehr Anhänger in Orient und Okzident finden. Sie wollen die Deutungshoheit über den Islam nicht den Fundamentalisten überlassen und setzen dem Dschihad gegen die Ungläubigen ihren eigenen Dschihad für mehr Freiheit und die Gleichberechtigung der Geschlechter entgegen. Zur Sprache kommen unter anderem der ägyptische Korangelehrte Abu Zaid, der durch die Zwangsscheidung von seiner Frau bekannt wurde, und die amerikanische Frauenrechtlerin Amina Wadud, die mit der Leitung eines Freitagsgebets – als erste Frau überhaupt – weltweit Aufsehen erregte. Ihre auf dem Koran gründenden Überlegungen zu einer gerechten politischen Teilhabe aller Menschen können, so zeigt das Buch, auch für Nicht-Muslime höchst anregend sein.
"Das Buch zeigt eindrucksvoll, dass der Islam heute über weit mehr moderne Facetten verfügt, als es Islamisten und Islamkritikern wohl angenehm ist."
Veronika Eschbacher, Wiener Zeitung, 26. März 2013