Der Stift und das Papier
SACHBÜCHER
Informationen: , 21.99 €
Verlag: Luchterhand
Rezension
Seine Autobiografie bildet, mehr oder weniger fiktionalisiert, den großen Stoff seines Œuvre: In der Tat blickt Hanns-Josef Ortheil auf eine außergewöhnliche Kindheit zurück. Der 1951 in Köln geborene Schriftsteller, Pianist und Professor für kreatives Schreiben verstummte im Alter von drei Jahren, erst mit sieben lernte er wirklich sprechen. Mit seinem Schweigen passte er sich der Mutter an, die nach dem Tod von vier Söhnen lange Zeit nur per Notizen kommunizierte. Doch die Eltern befreien den Sohn aus seiner Kapsel. Sie ersinnen eine eigene "Schreibschule", fern jedes Bildungskanons. Zur Ferienzeit dient Vaters Jagdhütte als Werkstatt, zur Schulzeit die Wohnung. Der Vater, ein Vermesser, setzt auf Analyse; die Mutter, eine Bibliothekarin, auf Gefühl und Klavierunterricht. Hanns-Josefs Sprachwerdung basiert auf genauem Hinsehen und Hinhören sowie auf kreativer Lektüre (etwa dem Um- und Fortschreiben von Geschichten). Bald entdeckt die Tagespresse "das Kind, das schreibt". Die Textarbeit wird immer komplexer, der Junge spürt "die Magie des Schreibens". Ein riesiges Archiv entsteht. Es bildet den Fundus für Ortheils freimütig und aus kindlicher Perspektive erzählten Roman über die Geburt eines besessenen Literaten - der einmal einen ganz anderen Traum hatte.
(wal)