Die Nächte von Paris
SACHBÜCHER
Informationen: , 26 €
Verlag: Galiani
Rezension
Paris im ausgehenden 18. Jahrhundert: Das Ancien Régime steuert mit Pomp seinem Ende entgegen, das einfache Volk leidet bittere Not. Da kommt Rétif de la Bretonne, von Beruf Drucker, aus Passion Schriftsteller. Ein Freigeist und Visionär, der genau hinsieht: Paris gärt. 20 Jahre lang durchstreift er nächtens die Straßen der Weltstadt. Seine Beobachtungen, Begegnungen und Reflexionen füllen 14 Bände. Er erzählt von Waschfrauen, Lumpensammlern oder einem Plakatabreißer, der das Papier an Gewürzhändler und Kartonagenmacher verkauft. Er schildert die „Schlupfwinkel des Lasters“ bei den Hallen, Massenvergewaltigungen bei Volksfesten oder die „Ströme von Unrat“, die sich bei Regen durch die Straßen ergießen. Er wohnt einer letzten Ölung bei oder hält eine Frau davon ab, ihr Neugeborenes zu ertränken. Der „Rousseau der Gosse“ schreibt sein Sittenbild auch während der Revolution fort, 1793 erscheint der letzte Band. Mit seinen äußerst lesenswerten „Nächten von Paris“ wird er zum Wegbereiter des Großstadt-Sozialromans. Rétif de la Bretonne verfasste ferner Werke zur Regulierung der Prostitution, zu Sozial- und Justizreformen oder zur Besserstellung der Frau. Das literarische Engagement reimt sich allerdings schlecht auf sein – angebliches – inzestuöses Verhältnis zu seiner ältesten Tochter.
Pralles Sittenbild des vorrevolutionären und revolutionären Paris, erstellt von einem „nächtlichen Zuschauer“.