Ein Frauenleben zwischen Bürgertum, Bohème und Kommunismus in Berlin, Prag, Moskau und Paris - ein echtes Abenteuerleben hat sie geführt, Charlotte Hirdmann, 1906 in der Bukowina geboren, gestorben 1966 in Stockholm. In "Meine Mutter, die Gräfin" wird eine eigenwillige Frau in ihrem historischen Kontext lebendig. Spannend ist zudem die unbefangene Freude der Erzählerin an ihrer Sprachkraft und den eigenen Ideen. Eine jüngere Autorin würde sich einen solchen Ton wohl nicht erlauben. Für alle, die sich der Geschichte gern über Details und Anekdoten nähern, das passende Buch für lange Winterabende.
(gm)
Yvonne Hirdman hat das Leben ihrer Mutter Charlotte (1900-1966) aufgeschrieben. Was für ein Leben! Aufgewachsen in der Bukowina (damals Österreich-Ungarn) als Tochter eines Hamburger Vaters und einer Schweizer Mutter, besuchte Charlotte in Weimar ein Mädchenpensionat, arbeitete in Jena als Buchhändlerin, tanzte im Berlin der Weimarer Republik, heiratete einen Grafen, ließ sich scheiden, floh als Kommunistin vor Hitler ins Exil nach Moskau, wo ihre neue Liebe Stalins Säuberungen zum Opfer fiel – bevor sie schließlich Zuflucht in Schweden fand, wo sie heiratete und blieb.
In ihrem feinfühligen, lebendigen und extrem fesselnden Porträt der Mutter verbindet Hirdman auf faszinierende Weise europäische Geschichte mit der Geschichte ihrer Mutter – und ihrer eigenen.
Hirdmans Buch ist die Beschreibung einer Mutter-Tochter-Beziehung, der Roman einer Familie, das Bild eines Jahrhunderts, ein Porträt über das Frauenbild und die Geschlechterverhältnisse der damaligen Zeit – und das ungewöhnliche Porträt einer faszinierenden, avantgardistischen, unerhörten und höchst attraktiven Frau: Charlotte, die rote Gräfin.