Bout du monde

Das Liquid Penguin Ensemble macht dort weiter, wo es bei „Gras wachsen hören“ aufhörte. Auch seine neue Produktion tarnt sich wieder als wissenschaftliche Dokumentation, die sich nach und nach als charmant-freche, sinnreiche Fiktion entpuppt. Den französischen Weltumsegler und Wissenschaftler Bougainville hat es gegeben, aber dass er sich am Ende seiner Tage am Strand auf einen Stuhl setzte, um „systematische Horizontbetrachtung“ zu betreiben und die Welt – zwecks Erkenntnisgewinn – aus einem „kleineren Raumwinkel“ zu betrachten, ist herrliche Fantasie. Genauso wie der Einfall, dass sich bis heute am selben Ort Menschen treffen, die es ihm gleich tun, oder gar Musiker, die den Horizont als „Notenschrift“ begreifen.
So hört man auch die Musik, aber auch eine Führerin im Bougainville-Haus, einen Kartographen, dem die Küstenlinien das pure Lebensglück bedeuten, und immer wieder Meereswogen. Das ist bis in kleinste Detail so liebevoll arrangiert, dass es ein Vergnügen ist, in diese rauschende Gedankenwelt abzutauchen. Nur bei den eingefügten Lektionen einer „Schule der Horizontbetrachtung“ fasert der Witz dann irgendwann aus. Doch bei allem Flachs, der gesponnen wird: Das Werk liefert durchaus findige Anregungen für alle, die sich gelegentlich mit dem Ausstieg aus unserer Welt ungehemmten Tatendrangs und Informationsflusses beschäftigen.

(mms)

Wie erobert man den Horizont und wie greift man in den Raum der dahinter liegt? Louis-Antoine de Bougainville hat im 18. Jahrhundert als erster Franzose die Welt umsegelt: „Mein Kartograf zeichnet die ganze Erde auf ein Stück Papier, und so kann ich sie zusammengefaltet selbst in meiner Rocktasche bei mir tragen“, schrieb er danach. „Doch gibt es keinen Ort mehr, den ich noch erreichen können wollte; es ist alles erreicht. Also suche ich nach Methoden, mir auf andere Weise das Vergnügen des Erkenntnisgewinns zu verschaffen.“ An der Pointe de la Loge in der Normandie schaut Bougainville nun durch das Fenster seines kleinen Häuschens aufs Meer hinaus. Er konnte nicht ahnen, dass ihm die Menschen heute in Scharen nacheifern und an jedem 16. März eines Jahres ihre Sitzmöbel an die Pointe de la Loge bringen, um von dort aus zur Erhaltung ihrer seelischen Gesundheit den Horizont zu betrachten...