Traumsammler

Auch Hosseinis dritter Roman atmet die unwiderstehliche Melange aus hochemotionalem Drama und orientalischer Erzählertradition vor dem Hintergrund des, von der Zeit und seinen Menschen, verkrüppelten Afghanistans. Auch kernthematisch fremdelt er nicht, denn Schuld und Sühne finden sich - wie in "Drachenläufer" - auch hier, jedoch erweitert um Selbstaufgabe und Verzicht. Die Klammer für seine Geschichte bilden die scheinbar unzertrennlichen Geschwister Abdullah und Pari, die Opfer der Lebensumstände und Sehnsüchte ihrer Nächsten werden und eigene Wege gehen müssen. Die Handlung entfernt sich jedoch von den Protagonisten, um sich den scheinbaren Randfiguren zu zuwenden, deren Lebenswege Hosseini ebenso raffiniert wie einfühlsam zu einem mehrdimensionalen Panoptikum um das Los der beiden herum formt. Eine befriedigende Auflösung gelingt leider nur bedingt.

Das Erzählerduo Schöne und Aljinovic bewältigen diese Gefühlswucht mit Bravour. Sie überzeugt durch variable, den äußerst unterschiedlichen Frauentypen, angemessene vokale Anschläge. Seine Stimme entwickelt im Laufe der Geschichte die Tiefe und Wärme, nach der dieses Epos verlangt.

(ds)

Abdullah ist zehn und liebt seine kleine Schwester Pari über alles. Die beiden leben in den erhabenen kargen Weiten Afghanistans und fürchten nur eines: den Dämon aus den fernen Bergen, der in Sturmnächten auf die Dächer der Häuser klopft und sich eines der Kinder holt. Eines Tages bringt der Vater die Geschwister nach Kabul; in der großen Stadt sucht er nach einem besseren Leben. Doch die beiden Kinder werden getrennt, und eine lebenslange Suche beginnt...