Zehn

10 Tage Urlaub im Jahr bei einer strengen Arbeitsethik, in der Freizeit als Mädchen verkleidet im öffentlichen Park oder beim Karaoke die eigenen Träume ausleben . Unsere Bilder Japans zeigen die Extreme einer scheinbar äußerst widersprüchlichen Kultur. Franka Potentes literarisches Debüt konzentriert sich hingegen auf Feinheiten, auf das Rituelle, die Größe eines kurzen Momentes und lässt uns ganz dicht an seine Menschen heran. Ihre Miniaturen zeigen Menschen, die durchs Leben oder die Zwänge ihrer Umwelt in ihrer Entfaltung gebremst werden. Ihre profunden Japan-Kenntnisse präsentiert sie unaufgeregt, manchmal vielleicht etwas zu detailverliebt. Da schauen wir in kleine Läden, in denen Fächer oder traditionelle Schlappen verkauft werden. Wir verfolgen gespannt den Antrittsbesuch eines leitenden Angestellten bei seinem Chef, spüren dessen Furcht nicht den angemessenen Ton zu treffen oder das geeignete Geschenk besorgt zu haben. Über all diesen Menschen schwebt die Konvention, das strikte kulturelle Regelwerk, das Über-Ich. Potentes Vortrag ist passend zurückhaltend, oft intim. Sie liest den Text präzise, mit dem Wissen, dass nur der Autor innehat. Wünschenswert wäre an einigen Stellen allerdings ein wenig mehr stimmliche Varianz und Wucht gewesen.

(ds)

Was wird, wenn die schwangere Ikuko die Einzige in ihrer Familie ist, die sich eine Tochter wünscht? Warum gibt sich die Witwe Frau Nishki so oft der liebevollen Zubereitung ihres Lachs-Eintopfs hin? Wo endet es, wenn sich Miyu, die heimlich in einem Nachtclub tanzt, in einen schüchternen Polizisten verliebt? In ihren genauen, sensiblen Stories eröffnet uns Franka Potente den Blick auf die japanische Kultur und die Menschen, denen sie dort begegnet ist. Und wenn sie von dem Stolz einer jungen Zeichnerin oder dem peinlichen Missgeschick eines jungen Ehepaars erzählt, lässt sie uns auf bestechende Weise an den Empfindungen und Gedanken ihrer unverwechselbaren Figuren teilhaben. Franka Potente schlägt in ihrem ersten literarischen Erzählungsband vielstimmige Töne an, weiche, melancholische und helle präzise. Und gewährt dabei sensible Einblicke in das Leben japanischer Frauen und Männer.