„Ich schreibe unentwegt ein Leben lang“
SACHHÖRBÜCHER
Gelesen von Marcel Reich-Ranicki
Informationen: Live-Lesung, 274 Minuten, 4 CDs, 14 €
Verlag: Osterwold audio
Rezension
34 Jahre lagen diese Aufnahmen in der Schublade. Äußerst schade, wenn sie unveröffentlicht geblieben wären. Denn dieses Hörbuch ist ein aufschlussreiches Zeitdokument. Als Paul Assall das Gespräch Anfang 1986 geführt hat, war Marcel Reich-Ranicki 65 Jahre alt und Literaturchef der FAZ. Mit seinen Verrissen hat er sich Feinde gemacht, man denke an Günter Grass oder an Martin Walser, der sich mit „Tod eines Kritikers“ an dem „Scharfrichter“ rächte. Der ehemalige Rundfunkredakteur Assall ist ein einfühlsamer und kluger Interviewer, auch wenn sein Gesprächspartner manche Fragen, die ihm nicht passen, brüsk beantwortet oder gar schulmeisterlich ablehnt. Dennoch gelingt es dem Interviewer, Reich-Ranicki zu öffnen, wenn der zugibt, er habe Angst vor der Frage, ob er ein glücklicher Mensch sei. „Ein befürwortend affirmativ strahlender Mensch bin ich natürlich nicht. Dazu habe ich zu viel Schreckliches erlebt und ich kann es nicht vergessen.“ Reich-Ranicki ist ein leidenschaftlicher Erzähler. Dabei ist auch interessant, was er verschweigt: beispielsweise seine Tätigkeit für den polnischen Geheimdienst in den 40er-Jahren.
(cvk)