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Die Schönsten Liebesromane: Jeanne Wellnitz (jw)

Elke Heidenreich, Bernd Schroeder: Alte Liebe

Wo ist die Liebe nach vierzig Ehejahren? Wenn man Heidenreichs und Schroeders „Alte Liebe“ gelesen hat, weiß man es! Mit gekonntem Sprachwitz und Gelassenheit erzählt dieser Dialogroman vom wiederkehrenden Glück einer Liebe, die bei den Protagonisten fast in Vergessenheit geraten war.

Am Anfang stand nur fest, dass es eine Geschichte über ein Paar wird, das schon 40 Jahre verheiratet ist. Eine Achtundsechziger-Ehe, die „alle Stürme überdauert“ hat und nun ziemlich ermüdet vor sich hin plätschert. Lore und Harry – literaturverliebte Bibliothekarin und pensionierter Architekt – kommen abwechselnd zu Wort. Das Besondere daran ist, dass das Schriftstellerpaar Heidenreich/Schroeder jedes Kapitel alternierend und unabhängig voneinander verfasst hat. Heraus kamen 34 herrlich-komische Dialoge, die jeweils mit einem spannenden Selbstgespräch beginnen.

Lesungen organisieren, Schriftsteller begrüßen, in die Welt der Bücher eintauchen: Lore liebt ihren Beruf und steht nun kurz vor der Pensionierung. Und was ist dann? Verunsichert und mit dem Älterwerden auf Kriegsfuß sprechen ihre Monologe die melancholische Sprache der Selbstbilanzierung. Harry hingegen zieht sich seit seiner Pensionierung in die „stille, schöne Welt“ der Pflanzen zurück. Während Lore grübelt („Ist es Glück, wenn es einfach nur hält?“), und zwischen Selbstanklage und Schuldzuweisung pendelt, jätet Harry selbstvergessen im Garten Unkraut. Das kann doch nicht sein! „Ach Harry, ich wollte, du würdest weniger in diesem Garten herumpritzeln.“ Doch er „pritzelt“ weiter und trinkt dabei sein Weizenbier.

Die Tochter heiratet zum dritten Mal

Als ihre, in vielerlei Hinsicht gescheiterte, Tochter Gloria die dritte (!) Hochzeit ankündigt, geraten Lore und Harry in einen Konflikt. Dabeisein oder fernbleiben? Lore, zwischen Wut und Schuldgefühlen, sieht sich in der Pflicht, hinzufahren. Harry entzieht sich diesem Schauspiel: „Ich habe keine Lust schon wieder einen dieser Kerle kennenzulernen, die sie auf irgendwelchen Müllkippen findet.“ Nach diesem Muster scheinen große Teile der Beziehung strukturiert. Lore folgt selten ihrem Gefühl und Harry hält sich, häufig in abweisender Geste, heraus. Für sie steht fest, dass ihm alles egal ist und Harry behält für sich, dass er auch mit „zertrümmerten Träumen ringt“.

Doch als Lore beginnt, die Schuld nicht mehr bei Harry, sondern bei sich selbst zu suchen, wird sie aufgeschlossener für die schönen Dinge des Lebens („Harry, soll ich mal wieder backen?“). Und Harrys Gedankengänge – sonst oft vom Ärger getragen – werden plötzlich sensibler. Ihm wird bewusst, dass ein „Kulturbanause“ in Schlabberhose und Gummischuhen womöglich nicht dazu einlädt, gemeinsam in einen beschwingten Lebensabend zu starten. Er kann ja nicht mal ein Gedicht auswendig (außer Ottos Mops trotzt von Ernst Jandl). Harry beschließt, sich wieder aufzurichten und Lore weiß gar nicht, wie ihr geschieht („Welche Fee hat dich verzaubert?“). Die nun folgenden Dialoge führen in ebenso heiterem wie ergreifendem Ton Stück für Stück in die Tiefen einer langen Liebe.

Nicht zwangsläufig autobiografisch

Dieser Kurzroman zeigt, ohne dabei Klischees abzuwandern, dass Liebe mehr sein kann als körperliche Leidenschaft und die idealbehafteten, ersten gemeinsamen Jahre. Lores und Harrys wachsender Wille, dem persönlichen Frust etwas entgegenzusetzen, verschafft ihnen den unerwartet „perfekten“ Augenblick, an den sie sich mit Goethes Worten für immer erinnern wollen: „Werd ich zum Augenblicke sagen, verweile doch, du bist so schön, dann magst du mich in Fesseln schlagen, dann will ich gern zugrunde gehen.“

Selbst, wenn die Liebe zwischen Elke Heidenreich und Bernd Schroeder schon lange Freundschaft geworden ist, wurde viel gemutmaßt über eventuelle autobiografische Züge in „Alte Liebe“. Sie relativieren diese Spekulationen in Interviews häufig mit dem Verweis auf ihr persönliches Credo, dass Literatur nun einmal „Erfahrung“ sei, dadurch aber nicht zwangsläufig autobiografisch ist. Wie hat es Heidenreich in ihrer Liebeserklärung an die Literatur „Wer nicht liest, ist doof“ so treffend formuliert? Der Roman ist die „Gegenwelt“, die hilft, „die reale Welt besser zu begreifen.“

Elke Heidenreich, Bernd Schroeder: Alte Liebe. S. Fischer, 191 Seiten, 8,99 Euro

 

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