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Interview: Christian Bärmann (bär) | Fotos: Uwe Tölle

Oliver Kalkofe

„Fans ohne ironische Distanz sind schon gruselig“

Er ist Deutschlands bissigster TV-Kritiker und großer Hörspielfan. Gleich zu Beginn unseres Gespräches im Hamburger Park Hyatt Hotel erzählt Oliver Kalkofe, dass er ein paar Tage zuvor beim Live-Hörspiel von „Die drei ???“ in der Berliner Waldbühne gewesen und davon noch ganz beseelt sei. „Wobei es auch eine spezielle Erfahrung gewesen ist …“

hörBücher: Inwiefern?

Oliver Kalkofe: Naja, ein bisschen befremdlich ist das ja schon. Da wird über Sachen gelacht, die nicht immer wirklich lustig sind, sondern über die nur Hardcore-Fans, die jeden Satz kennen, so richtig lachen können.

Du bist also nicht mit der Serie aufgewachsen?

Doch, klar. Aber ich habe zuerst die Bücher gelesen, erst später kamen die Hörspiele. Mit 11, 12 Jahren fand ich die Bücher extrem spannend, aber auch die Hörspiele gleich klasse. Ich bin froh, dass es sie immer noch gibt. Aber wenn ich sie heute höre, natürlich nicht mehr ganz mit der kindlichen Freude von damals. Nicht nur, weil die Inhalte in den neuen Folgen teils ziemlich hanebüchen sind. Aber weil der Großteil der Hörer mittlerweile ja erwachsen ist und wir die Serie als sentimentale Erinnerung an früher hören, würde ich mir heute ruhig mehr Mut zu Ironie und Trash wünschen. Das, was ich bei „Die drei ???“ immer am faszinierendsten fand, waren die gruseligen Geschichten, die etwas über das Ziel hinausgeschossen sind, vom lachenden Schatten über den Karpatenhund bis zur flüsternden Mumie und den tanzenden Teufel. Auf der Bühne ging es eher brav zu, mit vielen Insider-Gags und Andeutungen, und das Publikum feiert einzelne Sätze wie die Greatest Hits im Rock-Konzert – was auch wieder toll ist. Es war für mich ein schönes, aber sehr spezielles Erlebnis, das ich mit nichts vergleichen könnte.

Wobei sich mehrere Fans auf unserer Facebook-Seite aufgeregt haben, dass mit den wenigen mutigen Anspielungen auf der Tour „ein Klassiker zerschreddert“ wurde …

... was ich allerdings übertrieben finde. Wenn es tatsächlich so viele Fans gibt, die das so ernst nehmen, dass sie jegliche Ironie gleich als Entweihung ansehen, macht mir das schon fast Angst. Ich habe allerdings auch viele Fans, die es mir sofort alles übel nehmen, was nicht ‚Mattscheibe’ oder zumindest boshaft ist. Oder nimm‘ Dauerbrenner-Serien wie „Lindenstraße“ oder „GZSZ“: Da ist es immer wieder erschreckend, dass die Hardcore-Fans wirklich so sind, wie die Sendungen und diese als ihre eigene Realität ansehen, ohne ironische Distanz. Das ist schon gruselig.

Wenn ich heute Sachen sehe, die ich früher super fand, etwa TV-Serien wie „Die Zwei“ und „Die Profis“ oder alte Hörspiele, wirken die so altbacken und gar nicht mehr so gut, wie ich es in Erinnerung hatte. Geht es Dir auch so?

Natürlich. Es gibt Dinge, die altern nicht so gut wie andere, und davon kann man sich auch nicht frei machen. Die Geschichten von damals sind aber nicht unbedingt schlechter. Man wird einfach geprägt durch das, was man im Laufe der Jahre sieht. Das Tempo, die Erzählweise und die brave Art der damaligen Sendungen kann man als Erwachsener nicht mehr mit der gleichen Freude und Ernsthaftigkeit gucken wie damals als Kind oder Jugendlicher. Doch gerade, weil Gags aus „Die Zwei“ damals so gut waren, sind sie in die Alltagssprache übergegangen und klingen heute daher altmodisch, weil sie jeder schon kennt. Ich sehe das immer noch gern, nehme aber nun wahr, wie schlecht die Serie im Original in Wirklichkeit war.

Geht Dir das mit allen Serien von damals so?

Nein, zum Glück nicht. Ich habe eine neue Revue für das „Schmidts Tivoli“ in Hamburg geschrieben (läuft seit 9. September, die Red.), eine wilde Reise durch 60 Jahre Fernsehen. Dafür habe ich ganz viel geguckt. Es gibt ein paar Serien, die sind immer noch klasse, die waren schon damals ihrer Zeit soweit voraus, dass sie heute in gewisser Weise noch mithalten können. Ich bin zum Beispiel ein Riesenfan von „Mit Schirm, Charme und Melone“, auch wenn die Action-Szenen von Emma Peel heute schon etwas albern aussehen. Aber die Ideen und die Dialoge sind fantastisch, heute wie damals. Viele andere Serien dagegen kann ich kaum noch sehen, ohne nebenbei etwas anderes zu machen, weil einfach das Tempo so schleppend oder die Story so simpel ist. Mit etwas Abstand kann ich aber auch über mich und die Zeit auch lachen, ich erinnere beim Gucken und Hören an Gerüche, Gedanken, Momente von damals – gleichzeitig muss ich darüber schmunzeln, dass ich das damals alles richtig spannend fand und völlig ernst genommen habe. Mit 11 war mein Lieblingsschauspieler jahrelang Godzilla. Der war für mich das Größte, die Filme fand ich so spannend. Das Kino war immer rappelvoll mit Kindern, es gab Szenenapplaus, wenn Godzilla ein anderes Monster platt gemacht hat. Ab einem gewissen Alter fand ich das so grottenschlecht, dass ich mich fast schämte, dass ich das mal gut gefunden hatte. Heute liebe es es wieder, weil ich herzlich darüber lachen kann, dass ich das wirklich mal ernsthaft klasse fand. Mit dieser Distanz zu sich selber ist Nostalgie ein Riesenspaß. Früher war eben nicht alles besser. Nein, aber für die damalige Zeit war es toll, und in vielen TV- und Hörspielserien von damals steckte einfach viel Herzblut drin, das schätze ich sehr.

Deine erklärten Lieblingshörspiele sind die ersten vier Folgen von „Mopsy Mops“. In die hat Konrad Halver in den 70ern sicher auch viel Herzblut gesteckt, aber die waren schon ziemlich beknackt …

Ja, die waren echt sehr krass. „Mopsy Mops“ ist eine sehr prägende Hörspielerinnerung für mich, aber auch sehr zweischneidig. Irgendwie haben die Hörspiele mich gepackt, aber „Mopsy Mops“ war so strange, dass ich als Kind nicht immer wusste, ob ich es toll fand oder gar nicht kapierte, weil es so kaputt und überdreht war. Ich habe es mit einer Mischung aus Verzweiflung und Faszination gehört, es war schon eine Art psychedelisches Erlebnis: keine Stringenz zwischen den Folgen, diese schrillen Stimmen … Konrad Halver wird ja oft gefragt, welche Drogen sie damals genommen haben. Aber er verrät es nicht. Ich habe mal in der Zeit des „Frühstyxradios“ mit Dietmar Wischmeyer und den anderen Kollegen an der kleinen Bar in meiner Wohnung Whiskey getrunken, diese extrem kranken Hörspiele raus gekramt und am Ende haben wir alle betrunken zum „Mopsy Mops“-Lied getanzt. Allein für diese schöne Erinnerung muss ich „Mopsy Mops“ ewig danken. Ich bin froh, dass ich bei der neuen Folge mitmachen darf und schon ganz gespannt auf die Aufnahmen. Man darf es nur nicht erst nehmen.

Rocko Schamoni und der Reverend sprechen die Hauptrollen … 

... und ich spiele wohl den Bösewicht. Aber es ist mir auch völlig egal, was ich spreche – Hauptsache, ich bin dabei.

Hat „Mopsy Mops“ auch als Inspiration für das „Frühstyxradios“ gedient? Das war ja auch sehr abgedreht.

Das „Frühstyxradio“ ist aus sich selber entstanden, wir hatten keine Vorgaben, keinen Plan, keine wirkliche Inspiration. Wir haben einfach gemacht, worauf wir Lust hatten, das war das Geheimnis für den Erfolg. Zugegeben, auch einiges von meinen damaligen Sachen ist nicht wirklich gut gealtert. Aber alles, was wir gemacht haben, fanden wir damals irgendwie witzig. Wir haben bei radio ffn etwas geschaffen, das eine Generation im Norden geprägt hat und von dem viele Dinge in den Sprachgebrauch übergingen. Wenn ich Figuren wie Onkel Hotte oder die Arschkrampen heute anhöre, kann ich manchmal selber nicht mehr so recht nachvollziehen, was an denen denn so besonders war. Doch so etwas gab es eben zu der Zeit nicht. Unsere Art, mit Sprache oder Comedy umzugehen, war revolutionär – das war uns weder bewusst noch geplant. Wir waren Humorpiraten, keiner von uns war ausgebildet oder hatte Bühnenerfahrung. Das Schicksal hat einen Haufen Leute zusammen geführt, die ein Talent in sich schlummern hatten, es aber nicht wussten. Wir haben immer weiter gemacht, weil wir merkten, dass die Leute an unserem Spaß Freude hatten. Von da an gab es nur noch den Kampf mit den Senderverantwortlichen, das machen zu dürfen. So etwas funktioniert nur, wenn man experimentieren darf und Zeit dafür bekommt …  

Als Radiomann muss es doch für Dich großartig sein, nun wieder vermehrt bei Hörspielen mitzuspielen und Lesungen aufzunehmen?

Ich hätte das gerne schon viel früher gemacht, habe aber keine Angebote bekommen. Wieder vor dem Mikrofon zu stehen, bereitet mir eine Riesenfreude. Dazu gehört auch Synchron. Es war toll, die Serie „Little Britain“ (zu sehen auf Comedy Central, die Red.) zu synchronisieren, zu der ich auch die Bücher geschrieben und mir ganz viel Mühe gegeben habe, den Witz aus dem Englischen so gut wie möglich hinüberzuretten. „Little Britain“ ist wie „Frühstyxradio“, nur im Fernsehen, und hat mir wieder viele Erinnerungen an die Radiozeit beschert. Und es freut mich tierisch, dass ich nun bei Hörspielen wie „John Sinclair“ oder „Dorian Hunter“ als Gast mitsprechen darf – auch wenn man die ganzen Takes heute ja meist allein einspricht. Ich habe schon beim „Frühstyxradio“ oder der „Mattscheibe“ immer sehr aufwändige Hörspiele gemacht – kleine Filme, Kino im Kopf. Auch „Der Wixxer“ war ursprünglich eine Hörspielreihe gewesen.

Die aber nie veröffentlicht wurde?

Doch, aber die 18 Folgen liefen nur auf radio ffn, wurden jedoch nie auf CD veröffentlicht. Oliver Welke und ich hatten den „Wixxer“ als Hörspielreihe geschrieben, die mit den Filmen nicht so viel zu tun hatte. Aber wir haben mit der Musik von Peter Thomas gearbeitet, der sich leider mit der Filmfirma verkrachte und wir das Hörspiel deswegen nicht herausbringen konnten.

Bastian Pastewka hat schon zweimal bei „Die drei ???“ mitgesprochen. Wieso bist Du noch nicht gefragt worden?

Bin ich schon, aber zu dem Zeitpunkt konnte ich leider ist. Das war ärgerlich, da ich schon lange darauf warte mitmachen zu dürfen und ich dann absagen musste. Jetzt habe ich lange nicht mehr nachgehakt, aber natürlich möchte ich unbedingt mal bei einer Folge sein, am liebsten mit einer schönen bösen Rolle …

Vielleicht als Dämonenjäger?

Das muss ja nicht sein. Denn einerseits bin ich ja begeistert, wie viel sich auf dem Hörspielmarkt tut. Andererseits finde ich es echt traurig, dass sich viele Macher mehr als Kopierer verstehen und immer nur im gleichen Dämonenjäger-Genre wildern. Natürlich gibt es Ausnahmen wie „Dorian Hunter“, das ist richtig toll. Aber „Tony Ballard“ finde ich beispielsweise extrem schlecht geschrieben und produziert und dazu noch schlechter gespielt. Und das, obwohl ich Horror, Grusel und Trash wirklich mag.

Welche Hörspiele hörst Du aktuell gerne?

Kollegen wie Wolfgang Bahro, Hennes Bender und Thomas Nicolai haben mich zu „Professor van Dusen“ gebracht, die Hörspiele höre ich gerade mit großer Begeisterung. Und ich freue mich auf die neue Krimi-Serie von Dennis Ehrhardt, „Sonderberg & Co“, die niveauvoll gemacht ist und bei der ich in einer Folge dabei sein darf. So wie auch bei John Sinclair, den höre ich schon seit Jahren mit viel Freude. Ach, es gibt so viele tolle Hörspiele, zum Beispiel auch alles von Sven Stricker, dem ich den „Ohrkanus“ überreichen durfte und mit dem ich übrigens meine Begeisterung für „Madness“ teile. Sven macht großartige Sachen und beweist, was im Hörspiel alles möglich ist. Ich wünsche mir einfach, dass sich mehr Vielfalt auftut und andere Genres entdeckt werden, bevor man den 700. Dämonenjäger veröffentlicht. Bei so vielen Jägern dürften ohnehin bald keine Dämonen mehr da draußen sein …

Oliver Kalkofe

Oliver Kalkofe (geboren 1965 in Hannover) ist gelernter Fremdsprachenkorrespondent und studierte Publizistik, Anglistik und Germanistik in Münster. Für die sonntägliche Kultshow „Frühstyxradio“ bei Radio ffn erfand er Figuren wie den schmierigen Märchenerzähler „Onkel Hotte“, seine TV-Satire „Kalkofes Mattscheibe“ ist preisgekrönt. Im Kino war er mit den Edgar Wallace-Parodien „Der WiXXer“ und „Neues vom WiXXer“ erfolgreich. Noch bis zum 13. November präsentiert er im Schmidt Theater Hamburg mit Martin Lingau die Revue „Volles Programm“. www.kalkofe.de

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