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Neil Gaiman

Ihre Autorenlesung ist so stimmig, als hätten nur Sie den Roman auf Englisch einlesen können. Sehen Sie das auch so?

Neil Gaiman: Ich habe das große Glück, dass mein Verleger mich meine Bücher selbst einlesen lässt, wenn ich es möchte. „Anansi Boys“ wollte ich beispielsweise nicht machen, da ich zwar gut bin, aber nicht so gut, um vier kleine jamaikanische Frauen sprechen zu können. Auch nicht „American Gods“, da es voller amerikanischer Akzente ist. „The Graveyard Book“ entspricht genau meinen Fähigkeiten. Ich weiß, wie jeder im Buch klingt, und ich weiß, wie das Buch klingt. Es ist nicht so, als würde ich anderen Sprechern nicht trauen, aber manchmal wünschte ich mir, ich könnte mit ihnen die Geschichte durchgehen.

(Jens Wawrczeck:) Aber meinen Sie nicht, dass man einem Sprecher gewisse Freiheiten bei der Interpretation lassen sollte?

Neil Gaiman: Absolut, aber manchmal kann es eben helfen, wenn ein Autor dem Sprecher Tipps gibt. Kürzlich hat beispielsweise der wunderbare Sprecher Martin Jarvis das Buch „Good Omens“ aufgenommen, das ich gemeinsam mit Terry Pratchett geschrieben habe. Bevor er ins Studio gegangen ist, habe ich 40 Minuten mit ihm gesprochen. Das war großartig – nicht, weil ich ihm gesagt hätte, was er zu tun hat, sondern weil er mir sagte, wie er sich bestimmte Figuren vorstellt. Er fragte, was mir durch den Kopf gegangen sei, als ich sie geschrieben habe, und wie ich mir wünschte, dass sie klingen.

  • Neil Gaimans „Graveyard-Book“ wurde mit Preisen überschüttet. So gewann es u. a. die Newbery Medal der American Library Association, den Hugo Award – und den Audie für das beste Hörbuch 2008 in den USA.

Jens, würde Ihnen so eine Hilfestellung helfen?

Jens Wawzczeck: Das fände ich großartig, obwohl ich glaube, dass Autor und Interpret immer einen Kompromiss fi nden sollten. Beim „Graveyard-Buch“ bin ich beim Gestalten der Figuren meiner eigenen Vorstellungskraft gefolgt. Und hatte mit Regisseur Kai Lüftner einen sehr sensiblen Zuhörer. Manchmal vermisse ich bei Aufnahmen angesichts der Kürze der Produktionszeit aber durchaus die tiefere Diskussion zum Text.

Neil Gaiman: Als Autor ist man ja schon zufrieden, wenn der Sprecher das Buch zumindest einmal komplett gelesen hat, bevor er ins Studio geht. Oft machen Kleinigkeiten den Unterschied. Von „Coraline“ gibt es zwei englischsprachige Hörbücher eine Version von mir und eine von der grandiosen Dawn French. Sie hat das Buch erstaunlich gut aufgenommen. Wenn sie es allerdings vorher einmal komplett gelesen hatte, wäre ihr aufgefallen, dass der verrückte alte Mann im nächsten Stockwerk Rumäne ist – sie hat es offenkundig erst gemerkt, als es zu spät war. Daher glaube ich, dass es wirklich nützlich wäre, wenn Sprecher das Buch komplett lesen und zumindest fünf Minuten mit dem Autor sprechen.

In einem Interview haben Sie gesagt, dass Hörbücher einen Zauber wie kein anderes Medium haben. Wie haben Sie das gemeint?

Neil Gaiman: Es geht um den Zauber, eine Geschichte vorgelesen zu bekommen. Ein Wort nach dem anderen. Wenn ein Hörbuch erst mal begonnen hat und man bereit ist, sich darauf einzulassen, begibt man sich auf eine Art Reise, die andere Menschen steuern. Als Hörer folgt man der Geschwindigkeit des Buches, nicht der eigenen. Jedes Wort wird einem vorgegeben, man kann nicht quer lesen, wenn eine Passage mal zu ausführlich ist. So hat man eine ganz andere Erfahrung mit einem Hörbuch.

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