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Neil Gaiman

In einem Interview haben Sie mal scherzhaft die Befürchtung geäußert, dass „Das Graveyard-Buch“ in Deutschland nicht veröffentlicht würde, weil es zu verstörend sei ...

Neil Gaiman: Nun, immerhin ist Deutschland das einzige Land auf dem ganzen Planeten, in dem Dave McKeans Illustrationen für „Coraline“ nicht benutzt wurden. Ich glaube, es gibt diese bestimmte deutsche Sorge, Bücher an Erwachsene zu verkaufen, die Kindern gegeben werden – und der Glaube, dass man Kinder schützen müsse. Alle Gespräche, die ich mit meinen Verlegern dazu geführt habe, kommen immer wieder darauf zurück, dass Erwachsene sichergehen wollen, dass das, was sie für Kinder kaufen, sicher ist. Das ist sehr deutsch.

  • Der Engländer mit Wohnsitz in Minneapolis ist geschieden, hat drei Kinder und ist derzeit mit der Performance- Künstlerin Amanda Palmer liiert.

Jens Wawzczeck: Ja, es gab in Deutschland diese Diskussion, dass man Kindern keine Märchen mehr vorlesen sollte, da sie zu grausam sind. Was total albern ist. Gott sei Dank gab es Menschen wie Bruno Bettelheim (Red.: Autor von „Kinder brauchen Märchen“), die gesagt haben, dass Kinder Märchen brauchen und es starke Bilder gibt, an denen sie sich orientieren können. Ich denke, dass wir Deutsche Angst haben, das Falsche zu tun. Aufgrund unserer Geschichte sind wir oft nicht wir selbst. Es ist schwer, selbstbewusst zu sein, wenn man immer den Anspruch hat, das Richtige zu machen.

Neil Gaiman: Dabei handelt „Das Graveyard-Buch“ von Familie, von den richtigen und falschen Entscheidungen beim Heranwachsen – und nicht von Mord und Tod. Es geht um die fundamentale Tragödie, Eltern zu sein, die gleichzeitig auch das Schöne am Elternsein ist: Denn wenn Eltern ihre Sache bei der Erziehung ihrer Kinder gut machen, werden ihre Kinder sie verlassen. Manchmal ist es für Erwachsene ganz leicht, nicht den Kern einer Sache zu verstehen. Wie bei „Hänsel und Gretel“: Da geht es weder um Kanibalismus noch darum, wie man alte Damen umbringt, sondern um Selbstvertrauen, Mut und Familie – und darum, dass Geschwister stärker sind, wenn sie zusammenhalten. Und ich glaube nicht, dass bei Kinderliteratur alle Kinder, die diese Bücher lesen, am Ende genau die gleiche Personen sind wie vorher. Ich habe als Kind Bücher gelesen, die mich verändert haben.

Zum Beispiel?

Etwa die „Narnia“-Bücher, das „Dschungelbuch“ und „Mary Poppins“. Und „Alice in Wunderland“ hat mich darauf gebracht, dass auch Erwachsene dumm sein können und nicht alle Dinge im Leben unbedingt verstanden werden können. Das war eine große Sache für mich als Kind. Sie haben aus „The Graveyard Book“ auch ein wunderbares Hörbuch gemacht. Fällt Ihnen das Vorlesen so leicht, wie es klingt?

Neil Gaiman: Ich liebe es vorzulesen. Schon als Kind habe ich gerne meinen Geschwistern vorgelesen, später meinen eigenen Kindern. Ich hoffe, dass meine Freude am Vorlesen und generell am Lesen bei meinen Hörbüchern durchscheint. Eine Sache liebe ich besonders daran, Autor und der Sprecher zu sein: Ab und zu, wenn der Autor mal völlig daneben gegriffen hat, kann ich es wieder geradebiegen.

(Jens Wawrzeck:) Passiert das?

Neil Gaiman: Ja, an manchen Stellen hat der Autor einen unglaublichen Zungenbrecher eingebaut, einen kleinen Satz, der auf der Seite gut aussieht, aber unmöglich auszusprechen ist. Dann formuliere ich den Satz um – nicht nur für mich, sondern für alle Eltern, die dieses Buch ihren Kindern vorlesen.

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