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Interview: Emily Walton

Tanya Stewner

„Wissen Sie, wie ein Känguru klingt?“

Die inzwischen siebenbändige Kinderbuch-Reihe „Liliane Susewind“ ist Lesern im Grundschulalter bestens bekannt. Die sympathische, junge Tierdolmetscherin Lilli kann mit Schimpansen, Hunden, Pandas kommunizieren. BÜCHER-Magazin sprach mit der Autorin Tanya Stewner über die Figur Liliane, das Anderssein und ihre eigene verzögerte Liebe zu Büchern.

Frau Stewner, Sie lassen Ihre Figur Liliane mit Tieren sprechen. Ein Wunsch, den Sie als Kind selbst hatten?

Ich denke ja. Ich hatte einen Hund namens „Terry“, er war ein Fox Terrier. Er gehorchte nicht immer und ich stellte mir oft die Frage, wie es sein würde, wenn er mich verstehen könnte. Liliane hat auch einen Hund, Bonsai. Das ist wohl auf meine eigene Geschichte zurückzuführen.  Ich glaube, dass viele Menschen – Erwachsene und Kinder – gerne die Gabe hätten, mit Tieren und Pflanzen sprechen zu können. Liliane hat dieses Glück.

Ertappen Sie sich dabei, dass Sie mit Ihren Haustieren sprechen?

Ich habe zwei Katzen. Klar kommt es vor, dass ich mit ihnen spreche, aber sie verstehen mich nicht! (Lacht.) Öfter aber passiert es, dass mein Mann und ich den Tieren etwas in den Mund legen, also unsere Stimme verstellen, als würden unsere Katzen sprechen. Das machen wir natürlich nur zum Spaß! Wenn ich meine Bücher schreibe, höre ich die Stimmen der Tiere im Kopf. Katzen sprechen anders als Schimpansen. Bei Lesungen weiß ich genau, wie ich die Stimmen darstellen muss.

Über die Tierwelt zu schreiben, setzt Recherche voraus. Studieren Sie das Verhalten der Tiere?

Natürlich. Wissen Sie denn, wie ein Känguru klingt? Wie ein Affe sich bewegt? Zuerst versuche ich mich über das Internet zu informieren. Ich sehe mir Videos auf YouTube an. Aber das reicht oft nicht: Ich frage Tierärzte oder gehe in den Zoo. Für den Band „Schimpansen macht man nicht zum Affen“ verbrachte ich einen Tag vor dem Affenhaus, um die Geräusche und Gesten der Schimpansen zu recherchieren.

Mit Tieren leben und arbeiten – das ist ein Traum vieler Mädchen. Haben Sie sich informiert, wofür junge Mädchen gerade schwärmen?

Nein. Ich habe einfach drauf losgeschrieben, nachdem ich eine ungefähre Geschichte und Figuren im Kopf hatte. Den Namen Liliane Susewind träumte ich übrigens.  Wenn man nur Themen wählt, um gut anzukommen, ist das heuchlerisch.  Ich orientiere mich nicht an Trends und Vorlieben. Sonst wäre ich bei Vampir-Geschichten gelandet. Mein Ziel ist es, Bücher zu schreiben, die ich selbst gerne gelesen hätte.

Was haben Sie in der Grundschule gelesen?

Ich hatte eine schwierige Grundschulzeit und habe spät Lesen und Schreiben gelernt. Ich hatte einen schlechten Start in der Schule, wurde ausgegrenzt. Warum, das weiß ich nicht. Meine Lehrer vermuteten, ich sei Legasthenikerin. Das  war eine Fehldiagnose, die aber dazu führte, dass ich lange Zeit Angst vor Büchern hatte.  Erst in der Gesamtschule – ich hatte neue Lehrer, neue Mitschüler – legte sich der Schalter um. Ich wurde eine richtige Leseratte. Mit zehn habe ich meine erste Kurzgeschichte über Pferde geschrieben.

Das Anderssein ist zentrales Motiv der Liliane Susewind-Bücher. Verarbeiten Sie eigene Erlebnisse?

Liliane ist durch ihre Gabe anders, sie fällt aus der Norm. Ich stellte mir damals, als ich die Figur schuf, die Frage: Kann ein Kind glücklich sein, wenn es anders ist? Natürlich sind hier auch autobiografische Züge enthalten. Es steckt immer ein Teil von einem selbst in einer Geschichte. Es sind Gefühle, die man selbst erlebt hat. Ich denke, es wäre daher eine Herausforderung für mich, eine Reihe nur für Jungen zu schreiben. Liliane ist für Mädchen und Jungen.

Wie haben sich Kinderträume seit Ihrer Jugend verändert?

Heute gibt es andere und mehr Vorbilder als früher: Kinder wollen Top-Model oder Superstar werden. Die Medien geben viel vor. Das war früher nicht so ausgeprägt. Die Grundsehnsüchte von damals und heute sind aber ähnlich: Wir wünschen uns Anerkennung, wollen dazugehören. Das ist bei Erwachsenen und Kindern so.

Lilianes Vater ist Hausmann, die Mutter Karrierefrau, die Großmutter technikbegeistert. In Ihren Büchern brechen Sie mit konventionellen Rollenbildern.

Meine Figuren sind im Kopf entstanden, es war kein geplantes Ziel, kontrovers zu sein. Aber vielleicht ist die Konstellation darauf zurückzuführen, dass die Rollenbilder in meiner Familie sehr traditionell waren. Meine Mutter war Hausfrau und mein Großvater mochte Technik. Er war Handwerker.

Was machte Sie zur Autorin von Kinderbüchern?

Ich sehe mich nicht nur als Kinderbuchautorin. Neben den Liliane-Büchern ist etwa  auch das Buch „Das Lied der Träumerin“ erschienen (Anmerkung: ab 16 Jahren). Es handelt davon, die eigenen Sehnsüchte zu erfüllen. Ich habe auch eine Idee für ein Jugendbuch. Wichtig ist mir die Freude am Schreiben. Es fällt mir leicht für Kinder zu schreiben. Das liegt wohl an meiner kindlichen Ader. Ich kann sehr unbeschwert sein, habe eine gewisse Albernheit, kann mich gut in Kinder hineinversetzen. Ich bin froh, dass ich mir diese Züge erhalten habe.

Lesen Sie selbst Kinderbücher?

Ja. Aber wenn ich im Zug sitze und ein Kinderbuch lese, werde ich oft schräg angesehen. Das irritiert mich. Kinderbücher sollten nicht einen geringeren Stellenwert haben. Es kann so viel in ihnen stecken.

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